Nach Schlaganfall-Panne: Spital in Erklärungsnot

Gabriele und Josef Thon erheben schwere Vorwürfe gegen das Spital Mödling.
Landesklinikum Mödling soll Schlaganfall nicht erkannt haben. Angehörige erheben schwere Vorwürfe.

Es war der Mittwoch vor den Semesterferien, als Grete Thon in ihrem Haus in Perchtoldsdorf zusammenbrach. Der Notarzt brachte die nicht ansprechbare Seniorin ins Krankenhaus Mödling. Knapp eine Woche lang lag sie auf der internen Abteilung, ehe ihre Angehörigen eine Verlegung in eine Stroke-Unit (Abteilung für Schlaganfall-Patienten) in Wien organisierten. Dass die Seniorin einen schweren Schlaganfall erlitten hatte, sei in Mödling nicht erkannt worden, kritisieren sie.

Grete Thon ist seither ein Pflegefall. "Wir befürchten, dass ein Schaden entstanden ist, der zu verhindern gewesen wäre", sagt ihr Sohn Josef Thon. Eineinhalb Monate nach dem Schlaganfall seiner Mutter, lernt diese gerade erst wieder das Schlucken. Derzeit wird sie künstlich ernährt.

Fassungslos

Der Leiter der Wiener Stadtreinigung (MA48) hat die Patientenanwaltschaft eingeschaltet. Seine Mutter sei völlig unzureichend behandelt worden, ist Thon überzeugt. Nach der Einlieferung hätte die Familie darauf hingewiesen, dass Grete Thon bereits wegen eines Hirntumors operiert worden war und in den Tagen vor dem Zusammenbruch über starke Kopfschmerzen geklagt hatte. Da aber eine Computertomografie (CT) offenbar keinen Schlaganfall gezeigt hatte, sei die Frau auf die Interne verlegt und kein Neurologe zu Rate gezogen worden.

„Im Spital hat man mir gesagt, der kommt erst am Montag“, erzählt Gabriele Thon, die Tochter. Fünf Tage soll die Seniorin ohne weitere Abklärung ihrer Symptome auf der Station gelegen sein. "Aber wenn jemand bewusstlos mit offenem Mund im Bett liegt, muss man doch was tun", ist ihr Sohn fassungslos. Auch die mangelnde Information durch die behandelnde Ärztin stößt ihm sauer auf.

Nach Schlaganfall-Panne: Spital in Erklärungsnot
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Erst als sich ein befreundeter Neurologe am Montag über ihren Gesundheitszustand erkundigte, sei ein weiteres CT angefertigt worden. Darauf war laut Thon ein 15 Zentimeter langer Gefäßverschluss zu sehen. Als der Familie dann noch mitgeteilt wurde, dass der Neurologe des Spitals nicht greifbar sei, ließ die Familie ihre Mutter umgehend ins Wiener Otto-Wagner-Spital verlegen.

Erwartungshaltung

Es ist nicht das erste Mal, dass es Beschwerden über die Schlaganfall-Behandlung in Mödling gibt. Anstatt in eine Stroke Unit verlegt zu werden, würden Patienten auf der internen Abteilung behandelt - oder sogar weggeschickt, lauten die Vorwürfe. Läuft also etwas schief in dem Spital, in dessen Einzugsgebiet über 100.000 Menschen leben?

Spricht man mit der der nö. Landeskliniken-Holding, geht es viel um Erwartungshaltungen seitens der Patienten. Gerade älteren Menschen mit mehreren Krankheiten könne in einer Stroke Unit aber nicht besser als auf einer internen Abteilung geholfen werden. "Da stehen oft die internistischen Probleme im Vordergrund", erklärt der ärztliche Leiter des Krankenhaus Baden-Mödling, Johann Pidlich. Und: "Eine neurologische Basisuntersuchung kann jeder Internist."

Ein Befund, den auch Experten wie der Präsident der Österreichischen Schlaganfall-Gesellschaft, Stefan Kiechl, von der Innsbrucker Universitätsklinik für Neurologie teilen. Nicht alle Behandlungsmethoden in einer Stroke Unit seien für hochbetagte, mehrfach kranke Menschen geeignet. Grundsätzlich, betont er, würden aber alle Schlaganfall-Patienten von dieser Einrichtung profitieren. Doch natürlich sei das sei eine Kapazitätsfrage.

Dass Schlaganfall-Patienten in Mödling nicht gut versorgt werden, weist Spitals-Chef Pidlich jedenfalls zurück. 131 Betroffene wurden im Vorjahr im Haus behandelt. Drei Mal pro Woche sei ein Neurologe im Krankenhaus, der auch in Akutfällen greifbar sei. Es gebe ein eigenes Stroke-Team mit ausgebildeten Therapeuten. Das Vorgehen werde mit der Stroke Unit in Wiener Neustadt abgestimmt. Und da sich ein Schlaganfall auch langsam entwickeln kann, werde bei Patienten mit unklarer Diagnose nach zwei Tagen ein neues CT gemacht.

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Genau das ist aber laut Familie Thon fünf Tage lang nicht geschehen. Da sei einiges unglücklich zusammen gekommen, heißt es seitens der Landeskliniken. So sei der Neurologe kurzfristig krank geworden. Ein früheres CT hätte nichts am Ausgang geändert, beeilt man sich zu sagen. Die Behandlung sei ordnungsgemöß gewesen. "Es geht hier aber auch um Kommunikation und da ist tatsächlich etwas schief gelaufen", räumt Pidlich ein. Er stellt hier sogar Nachschulungen der Mitarbeiter in Aussicht.

Auch die Vorwürfe, dass Patienten "nach Hause" geschickt würden, lässt der Spitals-Chef nicht stehen. Sollte es keine klaren Schlaganfall-Symptome geben, bekämen sie im Patientenbrief die Mitteilung, sich an eine Neurologie-Ambulanz zu wenden. Auch Experte Kiechl bestätigt, dass Schlaganfall-Diagnosen schwierig sind. So habe jeder sechste Patient, der auf einer Stroke Unit lande, nur schlaganfallähnliche Symptome.

Kleine Abteilungen

Fakt ist jedoch, dass dem KURIER mit dem Fall Thon vier ähnlich gelagerte Vorkommnisse bekannt sind, die sich Ende Jänner/Anfang Februar zugetragen haben. Über einen berichtete der KURIER, zwei beschäftigen die Patientenanwaltschaft. Für Gesundheitsökonom Ernest Pichelbauer liegt das Problem in den kleinen Abteilungen des Krankenhaus Mödling. "Es wundert mich nicht, dass solche Probleme auftreten, wenn man zwei Kleinspitäler statt eines großen baut", sagt der vehemente Kritiker der Zwei-Haus-Lösung im Landesklinikum Baden-Mödling. "Da verliert man Know-how. In großen Spitälern ist man breiter aufgestellt."

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Landesklinikum Mödling
Beim Roten Kreuz sprechen manche Mitarbeiter hinter vorgehaltener Hand davon, dass Neurologie-Abteilungen lediglich in Tulln und Wr. Neustadt für den Zentralraum im Süden Wiens nicht optimal seien. Wiener Spitäler dürfen nur in Ausnahmefällen angefahren werden.

Ein Schlaganfall ist ein Notfall. "Zeit ist Hirn", heißt es. Es gibt aber Fälle, bei denen die Symptome von Rettungssanitätern mitunter nicht richtig erkannt werden. Und so kommt es, dass dann das nächstliegende Krankenhaus angefahren wird.

"Wir können nur nach Mödling oder Baden fahren“, erzählt ein Rot-Kreuz-Insider. Nur ein Notarzt könne bei der Leitstelle ein Bett in einer Stroke Unit anfordern. Sind sich Sanitäter also nicht sicher, können sie den Notarzt nachfordern – den Einsatz "aufwerten", heißt das. Ist aber jemand bewusstlos, wie im Fall von Grete Thon, wird der Patient immer ins nächste Spital mit Intensivstation gebracht. Und dann kommt es darauf an: Wird der Patient in eine Stroke Unit verlegt oder wird er auf der internen Abteilung behandelt.

Letztendlich wird ein Gutachten der Patientenanwaltschaft zeigen, ob die Behandlung von Grete Thon in Ordnung war. Das Spital hat einer zusätzlichen Evaluierung durch das Gesundheitsministerium zugestimmt. Nach Feststellung eines "Verbesserungsbedarfs" in der Vergangenheit, ist die Schlaganfall-Behandlung in Mödling laut Ministerium zuletzt strukturell nachjustiert worden.

In Niederösterreich stehen zur Akutversorgung und zur ersten Rehabilitation nach einem Schlaganfall Stroke Units in den Landeskliniken Mistelbach, Amstetten, Horn und Wiener Neustadt sowie in den Universitätskliniken St. Pölten und Tulln zur Verfügung.

Dort überwacht ein interdisziplinäres Team die Patienten. Neben einer Therapie mit speziellen Mitteln zum Abbau des Gefäßverschlusses (Lyse-Therapie) wird mitunter mittels eine speziellen Kathetertechnik das Blutgerinnsel unter Röntgenkontrolle direkt aus den Gefäßen "herausgezogen".

Meist wird in den Stroke Units bereits mit einer Frührehabilitation begonnen.

Steht bei einem Patienten nicht die neurologische Symptomatik im Vordergrund, sondern ein internistisches Krankheitsbild, kann die Versorgung laut Landeskliniken-Holding auch auf einer internen Abteilung erfolgen.

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