Todesangst eines Häftlings blieb unbeachtet, bis er tot war

Im Psychiatriegefängnis Göllersdorf sitzen unzurechnungsfähige Täter im Maßnahmenvollzug.
Akutpatient starb in Zelle vor laufender Überwachungskamera. Die Volksanwaltschaft fordert Aufklärung.

Im Krankenhaus ist es Standard, dass Patienten auf der Akutstation alle 30 Minuten auf ihre Vitalfunktionen überprüft werden. Im Gefängnis gibt es diese Praxis (bisher) nicht, nicht einmal im sogenannten Maßnahmenvollzug für beeinträchtigte Insassen. Das wurde einem 47-jährigen, geistig gestörten Häftling zum Verhängnis. Er starb in der Sonder-Justizanstalt Göllersdorf vor laufender Überwachungskamera.

Der Falter rollt diesen neuen Häfenskandal auf, der den Fall der Verwahrlosung mit den verwesenden Füßen eines Stein-Häftlings im Frühjahr 2014 in den Schatten stellt. Für Justizminister Wolfgang Brandstetter ist der "schreckliche Todesfall" ein Grund mehr, die Unterbringung der geistig abnormen Maßnahmeninsassen im Gesundheitsbereich "mit der adäquateren Struktur" voranzutreiben.

Richard G. war, nachdem er im Wahn seine Wohnung in Brand gesteckt hatte, seit 2001 in Göllersdorf untergebracht. Am 31. Jänner trank der paranoid-schizophrene Mann, wie so oft, unkontrolliert Unmengen von Milch, erbrach sich. Der Anstaltsarzt soll dem 47-Jährigen dann zusätzlich zu seinen Psychopharmaka ein Medikament gegen Übelkeit verabreicht haben, was zu Wechselwirkungen führen kann. Der Insasse erbrach weiter. Am 1. Februar um drei Uhr früh wurde Richard G. in einen Haftraum auf der videoüberwachten Akutstation transferiert. "Man legte ihm eine Decke über die Schultern und ließ ihn schlafen, weil er sehr erschöpft war", erklärt Vollzugsdirektor Peter Prechtl dem KURIER. Auch bei der morgendlichen Medikamentenausgabe ließ man ihn schlafen – da war Richard G. wahrscheinlich bereits tot. Laut Falter wurde die Zellentür erst um 10.15 Uhr geöffnet und der Tote entdeckt.

Staatsanwalt ermittelt

Die Staatsanwaltschaft Korneuburg ermittelt, bis jetzt gibt es noch nicht einmal einen endgültigen Obduktionsbefund. Erstickt ist G., wie es anfangs hieß, nicht.

Ein anonymer Hinweisgeber meldete bei Volksanwältin Gertrude Brinek, dass man den Vorfall zu vertuschen versuche. Er machte detaillierte Angaben zur Medikation des Toten und erklärte, der Mann habe Todesangst artikuliert, aber niemand habe sich gekümmert. Wegen der "fachlich fundierten Angaben" vermutet Brinek, dass es sich beim Zeugen um jemanden vom Personal handelt und fordert Aufklärung.

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