Polizisten schossen aus Notwehr

Die Ereignisse wurden am Tatort in Neunkirchen nachgestellt.
Nach tödlichen Schüssen auf Räuber wurde das Verfahren gegen die vier Beamten eingestellt.

Elf Monate hat es gedauert, bis die Justiz zu einer Entscheidung gekommen ist. Am 3. Juli 2014 wurde ein 21-jähriger Tankstellenräuber nach einer wilden Verfolgungsjagd in Neunkirchen durch neun Schüsse von Polizeibeamten tödlich getroffen (der KURIER berichtete). Die drei männlichen Polizisten und eine Frau müssen sich für den tödlichen Schusswaffengebrauch nicht vor Gericht verantworten. Nach genauer Prüfung hat die Staatsanwaltschaft (STA) Wiener Neustadt am Donnerstag das Ermittlungsverfahren gegen die Uniformierten eingestellt, erklärt Sprecher Erich Habitzl.

Was den bis zu dem Zeitpunkt völlig unbescholtenen Martin K. aus Felixdorf geritten hatte, dass er spätabends in Wiener Neustadt versuchte, eine Tankstelle zu überfallen, kann sich seine Mutter bis heute nicht erklären. Auch sein Pfadfinderführer Roland Steiner und Freunde hatten den 21-Jährigen als "ganz gewöhnlichen und lieben Burschen von nebenan" beschrieben.

Suicide by Cop

Polizisten schossen aus Notwehr
Tatort-Rekonstruktion,Tankstellenraub,Opfer Martin Kindler,Erschossen,Mutter
Wie die Ermittlungen ergaben, dürfte der Tod des jungen Mannes ein Fall von "Suicide by Cop" sein. Er hatte es anscheinend darauf angelegt, in der aussichtslosen Situation von den Beamten erschossen zu werden. Diese These stützt auch das Schießgutachten von Armin Zotter. Der Sachverständige hatte auch den Amoklauf des Vierfachmörders Alois Huber in Annaberg untersucht.

Als Martin K. von mehreren Polizeiautos in Neunkirchen gestoppt wurde, forderten ihn die Polizisten mit Nachdruck auf mit erhobenen Händen aus dem Auto zu steigen. Stattdessen zückte der Räuber eine täuschend echt aussehende Softgun und lief mit der Waffe im Anschlag schnurstracks auf die Polizeibeamten zu. Es war mitten in der Nacht und daher auch finster.

Polizisten schossen aus Notwehr
Verteidiger Rechtsanwalt Nikolaus Rast, Prozess Wels, OÖ
"Den Beamten war nicht ersichtlich, dass es sich um eine Luftpistole handelte. Der Schusswaffengebrauch war daher absolut gerechtfertigt", erklärt Habitzl. Es handelte sich um einen unmittelbar bevor stehenden Angriff. "Daher lag sowohl Notwehr als auch Nothilfe vor", sagt der Staatsanwalt. Martin K. wurde von neun Projektilen aus drei Dienstwaffen getroffen, drei dieser Treffer wurden später vom Gerichtsmediziner Wolfgang Denk als tödlich attestiert.

Keine Überraschung

Für den Verteidiger der vier Polizeibeamten, Nikolaus Rast, ist die Einstellung des Verfahrens gegen seine Mandanten keine große Überraschung. Er habe auf Grund der Sachlage damit gerechnet. "Für die Polizisten ist es aber angenehm, dass sie endlich Gewissheit haben", erklärt Rast. Der Vorfall sei sehr belastend und tragisch genug für sie gewesen.

Polizisten schossen aus Notwehr

Es war 22 Uhr, als Martin K. am 3. Juli 2014 unmaskiert den Shop der BP-Tankstelle in der Wiener Straße in Wiener Neustadt betrat. Der 21-jährige Schlosser aus Felixdorf im Bezirk Wiener Neustadt wirkte für die Verkäuferin zunächst wie ein harmloser Kunde, der nur eine Packung Zigaretten kaufen wollte.

Martin K. zahlte auch – zog aber plötzlich eine Waffe aus seinem Rucksack und bedrohte die Angestellte mit den Worten: „Das ist ein Überfall, Geld her!“

Die Frau händigte K. aber kein Geld aus, sondern ergriff geschockt die Flucht ins Freie. Der 21-Jährige zog daraufhin ohne Beute ab und fuhr im Auto seiner Mutter davon. Mit dem Anruf der überfallenen Tankstellenangestellten bei der Polizei wurde eine Alarmfahndung gestartet. Vom Fluchtfahrzeug waren die Fahrzeugtype sowie Teile des Kennzeichens bekannt.

Kurz darauf fiel der gesuchte Wagen einer Polizeistreife auf. Die Beamten nahmen die Verfolgung auf. Per Funk wurde sofort Verstärkung angefordert, auch die Polizeieinheiten im Nachbarbezirk Neunkirchen wurden darüber informiert, dass der Wagen ihre Richtung unterwegs ist. K. durchbrach eine Straßensperre, bevor er in Neunkirchen von mehreren Polizei- und Zivilfahrzeugen gestoppt wurde. Danach kam es zu den tödlichen Schüssen.

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