"SPÖ ist nach rechts gerückt"
Franz Steindl tritt zum dritten Mal als Spitzenkandidat der ÖVP an, nach dem Proporz-Aus hat der Purbacher diesmal seine vielleicht letzte Chance Landeshauptmann zu werden. Der 55-jährige ÖVP-Chef über Gemeinsames und Trennendes im Verhältnis zum langjährigen Regierungspartner SPÖ, ausländische Arbeitskräfte und politische Schmerzgrenzen.
KURIER:Die ÖVP sitzt seit 1945 in der
Regierung, ist die Oppositionsrolle in den Genen der Partei überhaupt verankert?
Franz Steindl: Die ÖVP war immer eine staatstragende Partei und ich gehe davon aus, dass wir auch nach dem 31. Mai einen Gestaltungsauftrag haben. Mit der Abschaffung des Proporzes gehen wir ein Risiko ein, aber Mut kann man nicht kaufen, den muss man haben.
Rot und Schwarz haben darauf geschaut, dass ihre Klubs auch in der Opposition sehr gut ausgestattet wären.
Im Vergleich zu anderen Bundesländern haben wir im Burgenland auch im neuen Landtag eine sehr bescheidene Infrastruktur.
Die große Koalition hat nicht nur die Verfassungsreform gemeinsam gestemmt, auch wirtschaftlich steht das Land relativ gut da, sagt das Wifo – trotzdem wird seit Monaten gestritten. Jetzt will Sie SPÖ-Landeshauptmann Hans Niessl nach der Wahl gar durch einen überparteilichen Experten ersetzen...
Wir haben die vergangenen viereinhalb Jahre hervorragend zusammengearbeitet und sehr viel weitergebracht. Allerdings befindet sich der Regierungspartner seit zwei Monaten im Wahlkampfmodus, das macht es sehr schwierig, bestimmte Dinge gemeinsam zu bearbeiten. Zum Wirtschaftslandesrat: Wahlkampfrhetorik kommentiere ich nicht.
Liegt‘s nur am Wahlkampf? Sie sitzen seit 2000 mit Niessl in der
Regierung, eine Partnerschaft wie in der Steiermark wurde daraus nie.
Da muss ich widersprechen, wir haben sehr viele Projekte gemeinsam gehoben. Das reicht von der Fusion von Bewag und Begas über den Ausbau der erneuerbaren Energie bis zu EU-Förderungen samt Additionalitätsprogramm des Bundes. Wenn es darum geht fürs Burgenland etwas zu erkämpfen, sind wir immer gemeinsam aufgetreten.
Wenn‘s so gut funktioniert, warum kommuniziert man das nicht gemeinsam und spricht sich für die Fortsetzung der rot-schwarzen Koalition aus?
Es gibt keine Vereinbarung. Aber ich bin dafür, den eingeschlagenen Weg weiterzuführen, weil es ein guter Weg ist, auch wenn manches noch besser werden kann. Zur Kommunikation gehören aber immer zwei und es braucht auch die Bereitschaft der anderen Seite.
Die "andere Seite" wirft der ÖVP vor, erst mitzustimmen und vor der Wahl so zu tun, als sei man nirgends dabeigewesen, zuletzt beim Neubau des Oberwarter Spitals.
Gegen den Neubau habe ich nie gewettert. Aber SPÖ-Gesundheitslandesrat Peter Rezar hat für die ursprünglich geplante Sanierung rund acht Millionen Euro Planungskosten in den Sand gesetzt. Dafür gab es keinen einzigen Regierungsbeschluss. Niessl und ich mussten uns dann einschalten, um das Projekt auf eine gute Basis zu stellen.
Keine gemeinsame Basis fand Ihr Versuch, das Job-Modell für ältere Arbeitslose auf Unternehmen auszudehnen.
Ich wollte mein in der Regierung einstimmig beschlossenes Modell für Gemeinden auch den 17.000 Unternehmen im Land anbieten. In den Gemeinden wurden schon 70 Jobs geschaffen. Kämen die Betriebe hinzu, wäre das ein toller Multiplikator.
Die SPÖ ortet eine Förderung für ausländische Arbeitnehmer.
Mehr als 90 Prozent der arbeitslosen Menschen über 50 Jahren sind Inländer.
Warum schreit die ÖVP beim SPÖ-Slogan "burgenländische Arbeitsplätze für Burgenländer" nicht auf, das ist doch EU-rechtswidrig?
Ich habe schon sehr oft darauf hingewiesen. Wir leben in einem freien Europa mit freiem Arbeitsmarktzugang. Manche Branchen wie Tourismus oder Pflege könnten ohne Arbeitskräfte aus dem Ausland schon zusperren. Dass man versucht, den Menschen im Burgenland zu helfen, ist ja klar. Aber ich bin keiner, der die Grenzen wieder dicht machen will. Wer das tut, macht eine sehr kleinkarierte Politik.
Auch bei der SPÖ-Forderung nach Grenzkontrollen können Sie nicht mit?
In der Sicherheitspolitik ist die SPÖ leider sehr nach rechts gerückt.
Lässt sich diese Kluft schließen?
Vor der Wahl wird sehr pointiert formuliert. Da wird der Anschein erweckt, man könnte das so einfach ändern, aber das ginge ja nur mit dem Bund oder der EU.
Wo gibt‘s Gemeinsamkeiten?
In der Wirtschaftspolitik und der Verwaltungsreform sehe ich viel Gemeinsames.
Dass die Wirtschaftspartei ÖVP gleich 500 Lehrlinge im Land und landesnahen Betrieben unterbringen will, hätte man eher der SPÖ zugetraut.
Die Lehrausbildung in Betrieben hat für mich Priorität und ich bin dafür Unternehmen zu unterstützen, etwa durch die Übernahme der Sozialversicherungsbeiträge während der gesamten Lehrzeit. Aber man muss an vielen kleinen Rädchen drehen, um der Jugend eine Chance zu geben. Unser Ziel haben wir erreicht, wenn alle Jugendlichen eine Ausbildung machen können. Aber noch sind rund 12 Prozent der Arbeitslosen Jugendliche.
Um Landeshauptmann zu werden, bräuchten Sie zwei Partner – wen?
Ich spekuliere nicht. Wer spekuliert, der verliert. Das haben wir in der Finanzkrise schon gesehen.
Müsste die ÖVP dazugewinnen, damit Sie den Anspruch stellen?
Wichtig ist, dass die ÖVP gestärkt wird, um eine SPÖ-Absolute oder eine rot-blaue Mehrheit zu verhindern.
Hat die stärkste Partei automatisch Anspruch auf den Landeshauptmann?
Einen automatischen Anspruch gab es noch nie.
Ihre Schmerzgrenze für einen Rücktritt?
Ich bin ein positiv denkender Mensch, daher glaube ich auch an ein gutes Ergebnis. Ich kenne keinen Pessimisten, der je sein Ziel erreicht hätte.
2000 hatte Franz Steindl nach Jahren als Bürgermeister, ÖVP-Manager und Nationalrat mit der Politik fast schon abgeschlossen. Der Rücktritt von Gerhard Jellasitz nach der Landtagswahl katapultierte den damals erst 40-jährigen Volkswirt aus Purbach aber über Nacht fast ganz an die Spitze. Seit bald 15 Jahren ist der begeisterte Trompeter Landeshauptmannvize an der Seite von Hans Niessl (SPÖ). Was Steindl 1992 in seiner Heimatgemeinde geschafft hat, die SPÖ vom Thron zu stoßen, versucht er zum dritten Mal im Land. 2014 musste sich Steindl selbst gegen innerparteiliche Kritiker behaupten, seit einem eindeutigen Votum bei der Urabstimmung sitzt er fest im Sattel. Steindl ist verheiratet und hat zwei erwachsene Kinder.
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