85 Jahre für Prüfung aller Gemeinden
Die „modernste Landesverfassung“ in Österreich soll für „mehr Demokratie, mehr Transparenz und mehr Kontrolle“ sorgen, erklärten SPÖ und ÖVP nach der großkoalitionären Einigung auf die Verfassungsreform samt Abschaffung des Proporzes vollmundig. Mehr Kontrolle? Da hat der Landesrechnungshof (LRH) massive Zweifel, wie aus der 9-seitigen Stellungnahme zum Begutachtungsentwurf ablesbar ist.
Zwar darf der LRH ab 1. Jänner 2016 – die übrigen Teile der Reform sollen schon am 1. Jänner 2015 in Kraft treten – alle 171 Gemeinden inklusive deren Beteiligungen von mehr als 25 Prozent prüfen, aber die Ausweitung wird teuer erkauft. So dürfen in fünf Jahren nur zehn Gemeinden kontrolliert werden. Dass Eisenstadt – als einzige Stadt mit mehr als 10.000 Einwohnern ohnehin auf der Prüfliste des Bundesrechnungshofes – laut Begut-achtungsentwurf theoretisch gleich viermal pro Jahr Besuch vom Landesrechnungshof erhalten könnte, erscheint dagegen als überambitioniert.
Wie auch immer: 85 Jahre würde es dauern, bis alle 171 Kommunen zumindest einmal durchgecheckt sind. Begründet wird diese Limitierung mit den Kosten: Weil die Gemeinden zu den bisherigen Prüfungsfeldern des Landesrechnungshofes (Gebarung des Landes und seiner Unternehmungen) hinzukämen, „soll die Zahl der zulässigen Initiativprüfungen begrenzt werden“, heißt es in den Erläuterungen zum Begutachtungsentwurf. Denn mehr Personal bekommt das oberste Prüforgan des Landes nicht.
Zur Illustration: Während sich das Prüfungsvolumen durch die Hereinnahme der Gemeinden um 33 Prozent auf rund 2,2 Milliarden Euro erhöht, bleibt das LRH-Budget mit 865.000 Euro unverändert, im Vergleich zum gestiegenen Prüfvolumen sinkt es sogar.
Landesrechnungshof-Direktor Andreas Mihalits hält zu den aktuell acht Prüfern zumindest zwei weitere für notwendig, „damit sich die ausschließlich mit Gemeinden befassen könnten“. Denn allein die Auswahl der zu prüfenden Gemeinden ist eine Heidenarbeit, müssen dafür doch die Finanzdaten aller Kommunen durchgeackert werden, um zu erkennen, wo‘s brennt. Deshalb verlangt Mihalits für seine Prüfer auch den Zugang „zu den digital erfassten Gemeindefinanzdaten der Gemeindeabteilung des Landes“.
Dass mehr Kontrolle nicht mehr kosten darf, stehe zudem „im klaren Widerspruch zum Landesrechnungshofgesetz“. Direktor Mihalits regt daher „die ersatzlose Streichung dieser vorgesehenen Einschränkung der Kompetenzerweiterung an“.
Übrigens: Die Aufstockung der Zahl der Klubmitarbeiter bereitet Rot und Schwarz offenbar kein Kopfzerbrechen, da heißt es gebetsmühlenartig: „Demokratie muss uns das wert sein“.
Was, wenn die Bedenken des Landesrechnungshofes ungehört verhallen und der Entwurf nicht geändert wird? Das würde zu einer „Verwässerung der gesamten Kontrolldichte und Kontrolleffizienz in allen Aufgabenbereichen“ des Landesrechnungshofs führen. Besonders Landesbeteiligungen würden wohl weniger oft geprüft – was der Regierung nicht unrecht sein könnte.
Am 4. November endet die Begutachtungsfrist, im Dezember soll die Verfassungsreform im Landtag beschlossen werden.
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