Revitalisierungen, planerisches Fingerspitzengefühl bei der Grundrissgestaltung und die Schaffung neuer Raumstrukturen sorgen dafür, dass Gründerzeithäuser und Palais modernen Wohnansprüchen gerecht werden.
"Unser Entwurf hat gezeigt, dass man über bautechnische und -gesetzliche Interpretationen wertvolle Flächen schaffen kann", erklärt Michael Salvi (Schenker Salvi Weber Architekten). Gemeinsam mit feld72, wurde eine Arbeitsgemeinschaft gebildet, die mit einer gewagten Idee den Wettbewerb für das Projekt Cotton Residence in der Neutorgasse für sich entscheiden. Der Plan fügt sich dem Regulativ der Baubehörde, doch die Planer haben sich das enorme Dachvolumen zunutze gemacht: "Dank der hohen Kubatur des Bestands und der guten Substanz war klar, dass wir die Dachform erhalten. Auch die Bauordnung der Schutzzone ist hier sehr strikt, also haben wir die Etagendecke im vierten Stock um 40 bis 50 Zentimeter abgesenkt und eine weitere Ebene wie eine Fuge in das Dach integriert."
Somit konnte das einstige Haus der österreichischen Industriellenfamilie Salcher (die hier 1878 die Baumwoll- und Zwirnspinnerei "Harlander" errichtete; erst im Jahr 1911 wurde der Bau zum k.u.k. Post- und Telegrafenamt umgewidmet) um ein weiteres Stockwerk ergänzt werden. Ein Ansatz, der schlussendlich auch den Eigentümer (Post Immobilien) überzeugte, die bis 2018 hier 25 Wohnungen mit Größen zwischen 65 und 230 Quadratmetern entstehen lassen. Die gestalterische Lösung ist allerdings auch für die Verwertung wichtig und in der Wirtschaftlichkeit ablesbar: "In vielerlei Hinsicht ist es ein Best-Practice-Beispiel. Wir begleiten das Projekt seit zwei Jahren und waren beim Wettbewerb dabei. Einheiten mit Galerien oder gar Maisonettewohnungen lassen sich im Vergleich zu Grundrissen auf einer Ebene schwieriger verkaufen. Hier hat die Architektur neue Möglichkeiten zugunsten des Kunden geschaffen, natürlich ist das eine optimale Ausgangslage", sagt Eugen Otto, dessen Unternehmen die Alleinvermittlung inne hat. Mit einem Quadratmeterpreis ab 12.000 Euro richtet sich das Objekt an kaufkräftige Klienten, die den Wert sowie die Lage zu schätzen wissen. Ein weiterer Pluspunkt: die Garage, hier setzte man auf einen vollautomatischen Parksafe.
Innenräume wurden ausgehölt und umstrukturiert.
Im Zuge der Sanierung mussten Fundamente getauscht, Räume neu definiert bzw. rückgebaut werden. Alte Stuckaturen werden teilweise freigelegt – aber nur so viel wie notwendig: "Es soll nicht zu historisierend wirken, moderne Elemente ergänzen als subtile Zitate in konsequenter zeitgemäßer Formensprache die historische Substanz", sagt Paintner von feld72. Riesige Panoramafenster im Obergeschoß, die sich in das Dachschindelmuster nahtlos einfügen, bilden mit der Gebäudehülle, deren Fassade mit Romanzement (historischer Baustoff mit terracottafarbener Materialsichtigkeit) saniert wurde, einen Zusammenhang. Die kompakte Dachlandschaft im Innenhof wirkt reduziert. Die Fassaden werden mit einem Metallkleid versehen: Dem mineralischen Sockel soll damit etwas zeitgemäßes Gegenüber gestellt werden. Paintner: "Perforierte Aluminiumelemente bilden eine abstrakte Annäherung an die Vergangenheit, sie symbolisieren den Faltenwurf eines Vorhangs." Denn das Gebiet rund um die Neutorgasse galt damals als Zentrum für Textilhandel und erhielt den wienerischen, liebevoll gemeinten Spitznamen: "Fetzenviertel". Die Innenräume zeigen sich großzügig und weitläufig und je höher das Stockwerk, desto moderner die Gestaltung. Fischgrätparkett aus Eiche in den unteren steht langen Dielen in den oberen Etagen gegenüber. Neuinterpretationen klassischer Altbautüren werden im Dachgeschoß mit raumhohen Modellen ersetzt. Sanierten Kastenfenstern werden im Dachgeschoß großflächige Verglasungen entgegengesetzt.
In der Wiener Innenstadt ist das Bauen im Bestand keine Seltenheit.
Dank baukultureller Spuren, ist ese einerseits eine logische Konsequenz, andererseits ist der Ruf nach mehr Wohnraum aktueller denn je. Mit dem Auszug der Tageszeitung derStandard aus dem Gebäude in der Herrengasse musste sich dessen Hauseigentümer entscheiden: Entweder man setzt weiter auf Büros oder man führt den Palais Batthyány-Strattmann und Trauttmansdorff eine neue Nutzung zu.
Man entschied sich für Letzteres und zollte im Projektnamen mit einer Doppelnennung (Palais, Palais) beiden Prachtbauten Tribut: "Es tut dem Viertel gut, dass nicht nur Büros, sondern auch Mietwohnungen zur Belebung beitragen. Die Verträge sind unbefristet und bei der Auswahl der Mieter wurde gezielt darauf geachtet, dass sich eine harmonische Mieter-Community bildet", erklärt ÖRAG-Vorstand Johannes Endl, dessen Team die Vermittlung abgewickelt hat. "Anfangs wurde ich von Anfragen überrannt. Neben der Lage, den guten Grundrissen wurde dies vor allem durch den perfekten Markenauftritt, der hierfür kreiert wurde, ideal unterstützt", sagt Immobilienmaklerin Elke Kürzl-Tronner. Vermittelt wurden Wohnungen zwischen 49 und 220 Quadratmetern bei Nettomieten (auf die Wohnfläche umgelegt) zwischen 16 und 22 Euro/.
Doch was wäre eine Marke ohne Inhalt?
Einmal mehr beweisen Geschichte und zeitgenössische Baukunst Kernqualitäten. Architekt Martin Mittermair hat sich im Zuge der Sanierung intensiv mit der über 800 Jahre alten Geschichte befasst. "Zu Beginn wurden Baualterspläne erstellt. Sie stellen alle Veränderungen und Erweiterungen in zeitlichem Ablauf der Jahrhunderte farblich dar, und zwar beginnend mit dem 13. Jahrhundert bis heute." Ursprünglich waren beide Palais ebenerdige, giebelständische, freistehende Gebäude, heute zeigen sie sich als Ensemble. Die äußerliche Kubatur wurde kaum verändert, lediglich der Sockelbereich wurde für kleinere Geschäftsflächen geöffnet. Die spannendsten Bautätigkeiten fanden zu Ende des 18. Jahrhunderts statt. Daran orientiert sich auch Mittermairs Entwurf. Beim Bau näherte man sich Schicht für Schicht der mehrhundertjährigen Geschichte, die auch für Überraschungen sorgte. "Ich habe den Weg des konsequenten Zurückbauens aller verklärenden Einbauten des 20. Jahrhunderts gewählt. Die Innenhofüberbauung des Palais Battyány-Strattmann wurde abgebrochen und es entstand eine offene Durchwegung. Auch wurden viele Zwischenwände und -decken entfernt, wodurch die ursprünglichen Raumproportionen wieder erstanden." Zimmerhöhen die teilweise bis zu 5,20 Meter betragen unterstützen den Atem des Weitläufigen. Wohnsalons nehmen hier schnell siebzig, achtzig Quadratmeter ein, Küchen wurden in fast jeder Einheit bewusst in den Raum gestellt." Die über 300 Jahre alten Dachstühle wurden erhalten und für neue Wohnungen ausgebaut.
"Keine Etage gleicht der anderen, es sind 22 verschiedene ,Einfamilienhäuser‘ mit Freiflächen, jedes davon hat einen eigenen Charakter, nichts wiederholt sich." Die historischen Dachstühle wurden erhalten, zwischen dem sichtbar gebliebenem Gerippe setzte man eine Stahlträgerkonstruktion, die nun die konstruktive Funktion übernimmt. "Solche Feinheiten verlangen nach einer gezielteren Suche nach dem passenden Kunden. Unumstritten ist, dass man über gute Oberflächengestaltungen und Design Objekte besser verwerten kann", sagt
Kürzl-Tronner.
Elektrochromes Glas wurde zum ersten Mal in Österreich verwendet.
Elektrochrome Verglasung, bedeutet, dass sorgt dafür, dass sich das Glas automatisch bis zu 95 Prozent verdunkeln lässt. Das Dach wurde in traditioneller Wiener Tasche gedeckt. Kleine hochwertige Details, die den Unterschied ausmachen. Die Böden in den Wohnungen wurden vorwiegend mit französischem Eichenparkett ausgestattet: "Dieser wirkt in seiner Mattheit wie frisch geschnittenes Eichenholz." Öffentlich Gänge bestehen zum Teil noch immer aus dem Kaiserstein: "Bestehende Steinböden wurden saniert, neue Flächen mit kroatischem Muschelkalk belegt." Ein Highlight ist das oktogonale Treppenhaus im Palais Batthyány-Strattmann, welches auf einen Entwurf von Fischer von Erlach zurückgeht. Stein allgemein wurde mit verschiedenen Oberflächenstrukturen, mal grob gestockt, geflammt, geschliffen oder gebürstet eingesetzt: "Das Baualter wird durch die verschiedenen Rauheiten lesbar – ausgehend davon, dass das Grobe als Erstes seine Spuren hinterlassen hat."
Die Nachfrage nach hochwertigen Wohnungen sieht Thomas Belina von
Colliers International, der das Palais Schottenring betreut, ungebrochen: "Die Vermarktungszeiträume sind etwas länger geworden – es wird nicht mehr alles vom Plan nach Projektstart verkauft. Die Definition ,Luxus‘ alleine reicht längst nicht aus, um ein Projekt erfolgreich zu vermarkten. Eine Marke zu schaffen, mit der sich der Käufer identifizieren kann, wird immer wichtiger." Für die Gestaltung der allgemeinen Flächen suchte man sich einen Experten auf dem Gebiet klassischer Eleganz, wobei Juan-Pablo Molyneux sich eher ungern in Schubladen stecken lässt: "Die schlimmste Frage, die man mir stellen kann: Welche Farbe oder welcher Stil liegen im Trend? Es gibt sie nicht. All diejenigen, die so eine Frage stellen, outen sich für eine oberflächliche Auseinandersetzung mit dem Inhalt. Beim diesem Objekt sind mehrere Lösungen und unterschiedliche Rahmenprogramme gefordert. Hier einen einzigen Stil über alles drüberzulegen, dass wäre doch absurd. Eine Einrichtung muss auch aus dem Moment entstehen können."
Der chilenische Designer ist mit seinen Firmensitzen in New York und Paris leidenschaftlicher Kosmopolit und lässt sich auch beim Einrichten von beiden Kontinenten beeinflussen. Zudem schätzt er baukulturelles Erbe. "Es geht darum einer sehr speziellen Zielgruppe eine Liegenschaft zu bieten, die keine Wünsche offen lässt. Repräsentation und Funktion sind die wichtigsten Parameter bei der Gestaltung. Die Oberflächen sind hochwertig, aber dezent – von Marmor über französische Eiche – die Lesbarkeit der Oberflächen muss gegeben sein, ansonsten verlieren Räume ihre Seele." Seine Aufgabe in Wien: "Bei dem Projekt gestalte ich die über 200 Quadratmeter große Empfangshalle, ein Vestibül sowie zwei Konferenz- und Büroräume. Von außen zeigt sich das Gebäude elegant, aber dominant. Im Inneren möchte ich diesen Eindruck weiterführen. Die öffentlichen Bereich zählen zur Visitenkarte eines Hauses." Das Gebäude wird über zwei Stiegenhäuser erschlossen, in den ersten vier Etagen entstehen Einheiten mit Flächen von bis zu 300 Quadratmeter, wobei durch Zusammenlegung auch Erweiterungen realisierbar sind.
Im Zuge der Revitalisierung werden auch Penthäuser errichtet , die mit separatem Lift erreichbar sein werden. Raumhohe Verglasungen entlang der Gebäudes, Swimmingpool und Dachterrassenlandschaften sorgen für Exklusivität die auch ihren Preis hat: Gerechnet wird mit 15.000 Euro/, die Obergrenze liegt bei bis zu 30.000 Euro. Zielgerichtetes Marketing, das Kreieren einer Marke spielt bei exklusiven Wohnprojekten mindestens genauso eine wichtige Rolle, wie die Architektur. Kunden, die sich hier einkaufen oder -mieten, wollen selten Kompromisse eingehen. Der Wunsch, maßgeschneidert angesprochen zu werden, eint die Suchenden.
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