Wohn-Atelier in Kärnten: Im Wandel der Zeit
Das Vordach, das vermisse sein Vater schon ein wenig. "Jetzt kann er bei Regen nicht mehr rausgehen, ohne gleich nass zu werden. Das hält er mir vor." Die Beziehung habe unter dem Projekt allerdings nicht gelitten. Auch keine Selbstverständlichkeit, denn wenn das obere Stockwerk abgerissen wird, um einen neuen Wohnbereich zu schaffen, und die Eltern in "ihrem" Erdgeschoß geblieben sind, lassen sich Konflikte nicht gänzlich ausschließen. Zumal der Zustand des Hauses während des Umbaus an einen Bombenangriff erinnert hat. Seine Mutter habe jedoch begeistert für die Arbeiter und alle Mithelfenden gekocht, alles sei gut ausgegangen. Friede geht durch den Magen.
Der erste Stock war einst das Refugium seines Bruders und von ihm, später einmal ein Gästebereich. An dieser Stelle hat sich Schwarz nun auf rund 105 eine "Ferienunterkunft samt Architekturfiliale geschaffen – damit man auch in Kärnten sieht, wie ich entwerfe", erzählt der 55-Jährige, der seit 1998 ein Atelier in Wien hält. Die Außenform des Hauses aus der Nachkriegszeit wurde für die obere Etage übernommen. Einzig der Treppenaufgang mit weit ausladendem Dach schert aus und verleiht dem kubischen Körper eine dynamische Komponente. "Da er gänzlich aus Lärche angefertigt ist, bin ich gespannt, wie die Witterung ihn verändern wird."
Mit einer gewissen Patina
Auch der untere Wohnbereich der Eltern wird in einigen Jahren anders aussehen: Dafür sorgt eine Rippenstreckmetall-Fassade aus Schwarzblech, die mit der Zeit zu rosten beginnt. "Aluminium bleibt Aluminium. Hier entsteht jedoch eine gewisse Patina." Nebenbei sei es eine billige Lösung gewesen, um die alte Putzfassade des Hauses zu kaschieren.
Zeit ist ein wichtiger Faktor für Schwarz, oberflächliche Architektur nicht seine Welt. Sie brauche eben Zeit zum Wachsen. Und währenddessen lässt sich das Panorama der umliegenden Bergwelt von Dobratsch bis Goldeck vom Inneren aus beobachten – anstelle von Außenwänden setzte er nämlich ausschließlich auf Glas. "Natürlich muss man querlüften und tagsüber die Jalousien nutzen, aber da die Nächte kühl sind, ist es im Sommer nie zu heiß geworden."
Probe aufs Exempel
Risiken wie diese hätte er bei einem anderen Bauherren nicht eingehen können. Auch der Einbau einer Infrarotheizung konnte den Test des Alltags bestehen. Es sind Details, an denen sich Schwarz probiert hat. Die Fotovoltaikanlage würde er das nächste Mal weglassen: "Eine Investition, die sich für mich nicht lohnt."
Auf jeden Fall gelohnt hat sich die Fertigteilbauweise: Die obere Etage wurde in zwei Tagen aufgestellt, tragende Vollmassivholzwände in der Brettschicht-Variante bilden die Raumstruktur. Ein Dreischicht-Dielenparkett bedeckt nicht nur Terrain, sondern auch Wände. Selbst in den Sanitärbereichen sucht man vergeblich nach Fliesen, wird aber unbehandeltes Fichtenholz finden. "Holz bedeutet Komfort – und funktioniert mit Wasser ausgezeichnet."
Gute Zutaten
Einfach und reduziert zu arbeiten, das sei ihm am liebsten. Sowohl was die Formensprache als auch die Materialauswahl betrifft. Und multifunktional: Das Schlafzimmer ist vom Bad beispielsweise nur durch einen Querkasten getrennt, der Stauraum bietet und auf der Seite des Waschbeckens vollverspiegelt ist – zwei Funktionen in einem Schrank. Aus den Überbleibseln des Parkettbodens entstand der Tisch, der das Wohnzimmer ziert. "Wie beim Kochen als auch bei der Architektur braucht es in erster Linie gute Zutaten, die man aufeinander abstimmt."
Dass das Ergebnis nicht nur seinen Eltern schmeckt, sondern auch bei den Nachbarn gut ankommt, stimmt ihn etwas skeptisch. "Das lässt mich zweifeln – als Architekt verspürt man ja ein wenig den Hang, gerne zu provozieren." Womöglich waren es ja die Kärntner Nudeln, die eine besänftigende Wirkung hatten. Falls Gusto besteht: Die besten Rezepte der Mutter hat der Architekt jedenfalls in einem Kochbuch veröffentlicht. www.architekt-schwarz.com
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