Winy Maas: Das erste Österreich-Projekt

Winy Maas: Das erste Österreich-Projekt
Seine Markthalle in Rotterdam avancierte im Nu zum Wahrzeichen: Das Büro MVRDV mit Sitz in der niederländischen Metropole ist weltweit für visionäre Entwürfe bekannt. Gründer Winy Maas über sein erstes Österreich-Projekt, das Geheimnis guter Architektur und warum er ohne Städte nicht leben kann.

Sie haben bei der Architekturbiennale eine transparente Küche vorgestellt und mit der Markthalle in Rotterdam eine kulinarische Institution geschaffen. Essen Sie gerne?
Wir versuchen seit vielen Jahren, die Nahrungsmittelindustrie zu verbessern. Essen ist eines der wesentlichen Elemente unserer Existenz, es ist sexy. Es war mir immer wichtig, dass die Versorgung besser wird. Mit der transparenten Küche haben wir gezeigt: Wenn jeder sieht, was drin ist, wird er kritischer und die Qualität steigt. Bei der Markthalle ist es ähnlich, sie ist ein monumentales Instrument um den Menschen zu sagen, wie elementar Essen ist. Normal ist ein solches Gebäude geschlossen. Hier ist es aber offen, eine spezielle Art von Wohnbau. In Rotterdam ist es zu einem Denkmal, zu einer Ikone geworden.

Ihr Lieblingsprojekt?
Nein. Wenn man mehrere Kinder hat, liebt man auch jedes gleich. Alle Gebäude haben eine eigene Geschichte. Ich bin über jedes einzelne froh, etwa über die Crystal Houses in Amsterdam mit ihrer Glasziegel-Fassade. Es zeigt, dass man mit modernen Methoden an die traditionelle Architektur anschließen kann. Man soll bei jedem Projekt die Energie spüren, die wir hineingesteckt haben.

Die von Ihnen geleitete Einrichtung "The Why-Factory" beschäftigt sich mit Stadtplanung und der Entwicklung von urbanen Gebieten. Welche Trends können Sie beobachten?


Eine Tendenz betrifft die Technologisierung. In Tests versuchen wir, Straßen mit Sensoren in gläsernen Backsteinen auszustatten, damit sich das Licht mit dem Fahrzeug bewegt. Eine weitere Untersuchung beschäftigt sich mit der Frage, wie Stadtplanung darauf eingehen kann, Krankheiten zu verhindern. Mit einer anderen Gliederung könnte man zum Beispiel Epidemien wie Malaria besser in den Griff bekommen. Außerdem ist die Diversität der Städte ein wichtiger Punkt: Wirtschaftlich wird es besser sein, dass jede Metropole ein Spezialgebiet besitzt. Die eine steht zum Beispiel für Agrarwissenschaften, die andere für Medienindustrie. Es hat für Europa Vorteile, wenn man die Städte spezifischer macht – alle sind auf ihre eigene Art schön, aber welche Rolle spielt Mannheim, welche Basel? Das untersuchen wir heute. Jede City kann ihre eigene Identität erhalten. Es ist ein europäisches Projekt, das die Zusammenarbeit fördern soll. Ich bin ein leidenschaftlicher Europäer.

Heimische Premiere: So soll der Turm beim Wiener Gasometer aussehen
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MVRDV

Welche Identität kann Wien demnach einnehmen?
Ich finde Wien fantastisch, aber vieles ist sehr fixiert, die Gesetze sind streng, es ist nicht so offen, wie ich mir das wünsche. Wolf Prix hat mich vor Wien gewarnt. Man redet viel, aber an der Umsetzung scheitert es oft. Es herrscht schon eine gewisse Lethargie, eine Paranoia vor neuen Gebäuden. Dadurch gibt es wenige Experimente. Innovation ist wichtig, am Ende bringt Neugier die Stadt weiter und nicht die Angst, etwas zu ändern. Während alle Metropolen in Europa ihr Spezifikum erhalten, kann Wien vielleicht so bleiben, wie es ist. Aber ich denke, es wäre schon wichtig, das Repertoire zu vergrößern und sich zu überlegen, auf welche Weise man sie erneuern kann. Mit unserem Turm wollen wir einen ersten Schritt tun.

Dabei handelt es sich um Ihr erstes Projekt in Österreich: Ein 30-stöckiger Turm für Wohnungen und Büros, der bis 2018/19 beim Wiener Gasometer realisiert wird. Welche Idee haben Sie verfolgt?
Es ist ein Versuch, das noch nicht so gut frequentierte Gasometer-Gebiet zu intensivieren. Durch die Taille reagieren wir auf das Gesetz, das die Beschattung der Umgebung auf zwei Stunden minimiert. Das haben wir präzise herausgearbeitet. Die Verdrehung soll auch helfen, eine Verbindung zum Platz herzustellen – anders als dies bei isolierten Wolkenkratzern der Fall ist. Ich hoffe, dass der Bau mit seinem flexiblen Raumkonzept eine Chance ist, Hochhäuser in Wien nachhaltig zu etablieren.Sie hegen eine Faszination für radikale, investigativ erforschte Lösungen.

Was macht gute Architektur für Sie aus?
Ich bin fasziniert, wenn sie eine Führungsrolle einnimmt. Damit meine ich jetzt nicht ein Museum mit einer Welle am Dach, sondern mit normalen Häusern und Büros etwas zu erreichen, was in eine neue Richtung geht und unglaublich ist. Wir brauchen diese Art von exemplarischen Gebäuden, die die Geschichte prägen. Generell finde ich es wichtig, das Niveau der Architektur zu verbessern – das kann mit besserer Bildung, strengen Kontrollen und kulturellen Unterstützungen gelingen.

Was treibt Sie an?
Ich liebe Architektur, ich liebe Metropolen. Das sind unglaubliche Resultate unserer Zivilisation. Da geht es um Menschen, Dichte und Intensivität, für mich sind Städte ein fantastisches Labor. Sie versorgen mich jede Sekunde in meinem Leben mit Energie. Das kann man nicht ändern. Es gibt neue Generationen, Inspirationen, ich will immer weitermachen. Ich bin wirklich froh, dass ich Architekt geworden bin.

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