Wie lebt es sich im ersten Passivhaus Österreichs?

Wie lebt es sich im ersten Passivhaus Österreichs?
Vor zwanzig Jahren bezog Martin Caldonazzi sein Domizil in Vorarlberg. Der ursprüngliche Auftrag: Arbeiten und Wohnen verbinden. Entstanden ist schließlich das erste Passivhaus Österreichs. Wie lebt es sich heute darin?

Martin Caldonazzi kennt die Fragen. Es sind meist die gleichen drei, die immer wieder kommen. "Was mache ich, wenn mir kalt ist? Wie putze ich die Scheiben? Und die dritte: Was sagen die Nachbarn? Die letzte stellen immer Österreicher. Die Deutschen wollen hingegen wissen: Was sagen die Behörden?" Seit zwanzig Jahren lebt der freischaffende Künstler und Grafiker an dieser Adresse in Amerlügen, einem Ortsteil der Vorarlberger Gemeinde Frastanz. 65 Häuser beherbergt die Parzelle, eines davon ist ein bisschen unkonventioneller als die anderen. Es ist das erste Passivhaus, das in Österreich gebaut wurde. "Ein Ausdruck meiner Persönlichkeit", sagt Caldonazzi.

Wie lebt es sich im ersten Passivhaus Österreichs?

Zeitloses Design, zwei Ebenen, eine große Glasfront, Pultdach. "Bauhaus, Adolf Loos, Le Corbusier, diese Prägungen flossen automatisch mit ein." Von einem Energiesparhaus wollte der Bauherr seinerzeit nichts hören, auch wenn er sich als "grün orientiert" bezeichnet und Teil der ersten Vorarlberger Solarselbstbaugruppe war. "Ich habe meinem Bruder den Auftrag gegeben, ein Haus zu bauen, das meine Bedürfnisse abdeckt. Eines, das Wohnen und Arbeiten zusammenbringt."

In den ersten Entwürfen fand sich noch eine Ölheizung. Schließlich ging es an die Finanzierung. Und da stellte der Baumeister und Planer Richard Caldonazzi fest, dass die Konstruktion durchaus jener eines Passivhauses entsprechen könnte. "Wenn wir die Dämmung erweitern und eine kontrollierte Be- und Endlüftung einbauen, kommen wir kostengleich hin und können auf die Heizung verzichten."

Die ersten Pläne wurden angefertigt und Helmut Krapmeier vom Energieinstitut Vorarlberg vorgelegt – einem Pionier, der den Passivhausgedanken quasi nach Österreich brachte. ",Kein Heizungsnotsystem?", war seine Frage", erinnert sich der Künstler. Sie verneinten. "Mutig", lautete die Antwort. Nach einem halben Jahr Planung und weiteren sechs Monaten Bauzeit war es geschafft: Ziegel und eine Dämmung mit Kork für außen, innen eine Holzkörperkonstruktion, die vorgefertigt und an einem Tag aufgestellt wurde, gedämmt mit Isocell-Zellulosefasern, die aus Zeitungspapier angefertigt werden. Alle Materialien sollten recycelbar sein, möglichst kurze Anfahrtswege aufweisen und von heimischen Handwerkern und Firmen verarbeitet werden.

Wie lebt es sich im ersten Passivhaus Österreichs?

Genaueste Planung erforderlich

"Es gibt Schritte, die man beim Passivhaus im Nachhinein nicht mehr ändern kann. Jede Handlung kann gravierende Auswirkungen haben. Dafür braucht es eine gute Bauüberwachung." Der Bewohner klopft auf Holz. Bis heute habe es kein einziges Problem gegeben, selbst die Entlüftungsanlage sei dieselbe. "Gerade wenn man immer wieder über bautechnische Probleme hört, gibt es auch positive Projekte, die seit Jahrzehnten funktionieren."Das Passivhaus erfüllt die Ansprüche, die Caldonazzi wichtig waren. Im Erdgeschoß befinden sich Atelier und Büro, welche räumlich vom oberen Wohnbereich getrennt und nur durch eine Außenstiege begehbar sind. "Ich gehe entweder arbeiten oder wohnen." Lehmwände, helle Farben, Holz prägen das Ambiente.

Flexibilität war ein wichtiger Faktor, da sich der Hausherr auch räumlich stets verändern möchte. Und ein Hang zur Bequemlichkeit: "Ich bin ein phlegmatischer Bewohner. Ich habe kein Interesse, mich um Öl- oder Holzvorräte zu kümmern. Im Passivhaus erspare ich mir das." Für die passenden Temperaturen sorgt die Sonne, deren Energie über das Lüftungssystem mit Wärmerückgewinnung und Erdwärmetauscher nutzbar gemacht wird. Falls die Grade zu niedrig sind, wird der Radiator aktiviert. Das kostet ihn vielleicht 150 Euro im Jahr. "Vernachlässigbar."

Wie lebt es sich im ersten Passivhaus Österreichs?

"Natürlich lüfte ich"

Als Asthmatiker und Allergiker schätze er die Lüftung, die mit einem Staub- und Pollenfilter erheblich zur Lebensqualität beitrage. Es sei auffallend sauberer. Und natürlich lüfte er auch. "Selbst im Winter. Hier muss sich das Gebäude an den Mensch anpassen und nicht umgekehrt. Die Menschen hinter Türen und Fenstern zu verbarrikadieren, halte ich für falsch. Da geht es für mich ums Lebensgefühl. Natürlich muss man mitdenken, wenn man es warm haben möchte." Aus heutiger Sicht gebe es für den 51-Jährigen keinen Grund, je wieder in einem konventionellen Haus zu leben. "Jede Form der Gestaltung ist eine Frage der Philosophie", sagt er.

Ob es seinen Nachbarn gefalle oder nicht, sei unwesentlich. "Es entspricht meiner Person." Auch in seiner Arbeit als Grafiker gehe er auf die Kunden und die Unternehmen ein, entwerfe Projekte, die ihnen entsprechen. "Durch die Art, wie wir Dinge realisieren, bringen wir uns in den öffentlichen Raum ein und gestalten indirekt die Gesellschaft mit." So und nicht anders sei es mit dem Passivhaus gewesen. "Es hat eine Wirkung." Mittlerweile seit zwanzig Jahren. Martin Caldonazzi wird die berühmten drei Fragen wohl noch öfters beantworten müssen.

www.atelier-caldonazzi.at

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