Das einst doppelt geführte Gewerbe des Lebzelters und Wachsziehers wird in der Salzburger Manufaktur Nagy noch heute aufrechterhalten. Seit 136 Jahren werden Kerzen von Hand gegossen und veredelt.
Es ist Mitte Dezember und doch herrschen in dem Raum nahezu tropische Temperaturen. Um diese Jahreszeit läuft die Produktion auf Hochbetrieb. An den Wänden reihen sich Hitzewannen aneinander, in denen Wachs erwärmt wird. Der Dampf, der daraus entweicht, verbreitet sich im gesamten Raum und sorgt dafür, dass sich der Duft geschmolzenen Wachses breitmacht. "Das Weihnachtsgeschäft ist bereits in den letzten Zügen, gedanklich bereiten wir uns schon auf Ostern vor", erklärt Geschäftsführer Wolfgang Svoboda. Bereits seit 1879 existiert nun das Unternehmen in Salzburg. Früher noch mit einer Innenstadt-Filiale in der Linzergasse, findet man heute den Verkauf am Produktionsstandort. Der Betrieb wird bereits in fünfter Generation geführt. Gemeinsam mit seinen Schwestern, Elisabeth Maislinger und Gabriela Adlmanseder, kümmert sich Wolfgang Svoboda nun darum, dass das doppelte Handwerk des Wachsziehers und Lebzelters weiter bestehen kann. Der Grund, warum diese beiden Berufe früher zusammen gelehrt wurden, liegt im Material; oder, um genau zu sein, liegt es an den Bienen. Da früher fast ausschließlich Kerzen aus Bienenwachs gemacht wurden. Und Lebkuchen natürlich aus Honig. Doch der Beruf wird in dieser Kombination heute nicht mehr gelehrt. "Der fehlende Nachwuchs ist ein großes Problem, da es keine Ausbildung von Fachkräften gibt. Derzeit beschäftigen wir zwanzig Mitarbeiter, jeder wurde von uns angelernt", sagt Svoboda.
In der hauseigenen Produktion werden drei Verfahren angewendet.
Das Ziehen, Gießen und Tauchen. Im herkömmlichen Sprachgebrauch bedeutet Wachsziehen, dass man den Docht aus dem Wachs herauszieht. Durch das Abrinnen des Wachses haben Kerzen ihre längliche, konische Formen erhalten. In der Manufaktur Nagy werden Kerzen nach wie vor gezogen. Mittlerweile wird jedoch die "Zieharbeit" von einer Wachsziehtrommel erledigt. Herbert Gottenhuemer und Heidi Höllerer sind seit vielen Jahren für die Manufaktur tätig und für die Produktion zuständig. Für die Herstellung der gezogenen Modelle werden meterlange Dochtschnüre aus Baumwolle auf die zwei Trommeln der Maschine aufgezogen. Darunter befindet sich eine Wanne mit geschmolzenem Wachs. Egal, ob man eine Kerze zieht oder gießt, das Wachs wird vor der Verarbeitung auf siebzig Grad erhitzt. Dank der kreisenden Bewegung taucht die Maschine den Docht immer wieder gleichmäßig in das Wachs ein. Der Abstand zwischen den Trommeln sorgt dafür, dass das Material in der Luft trocknet, bevor es wieder durch die Wanne gezogen wird. Für diesen Vorgang wird vorwiegend Paraffin verwendet, außer bei Fackeln: hierfür werden auch Kerzenreste verbraucht. Nach zwei Stunden können die gezogenen Kerzen von der Trommel abgenommen und zurechtgeschnitten werden. Im letzten Schritt werden die Spitzen ausgefräst, um den Docht freizulegen. Pro Durchgang werden im Schnitt etwa 150 Meter hergestellt.
Die Wachsarten unterscheiden sich im Wesentlichen in der Schmelztemperatur.
"Wir verwenden Paraffin, Stearin und natürlich Bienenwachs. Die Wachse werden in Form von Platten, Granulaten und Pastillen angeliefert", erklärt Svoboda. "Pro Jahr verarbeiten wird rund zehn Tonnen." Mit dem Mythos, dass durchgefärbte Kerzen auch die beste Qualität aufweisen, räumt Wolfgang Svoboda ebenfalls auf: "Bei durchgefärbten Varianten ist der Farbanteil zwar höher, aber gerade dieser kann beim Abbrennen Probleme verursachen. Wenn die Farbstoffe nicht richtig gelöst werden, dann kleben sie am Docht fest. Dadurch kann er das Wachs nicht mehr aufsaugen, er verstopft leichter und die Kerze fängt zu flackern oder rinnen an." Umso wichtiger ist es, auf eine gute Docht-Qualität zu achten, da es unterschiedliche Imprägnierungen gibt. "Stearin-Kerzen etwa sind ein reines Pflanzenprodukt mit einem sehr hohen Schmelzpunkt. Das Material ist spröde und hat andere Brenneigenschaften als Bienenwachskerzen. Ihre Konsistenz ist zäher, deshalb benötigen sie auch einen dickeren Docht."
In der Taucherei wird jede Nagy-Kerze von Hand in Farbe getaucht.
Hierfür werden Pigmentfarben, sogenannte Wachsfarben, in einem gewissen Prozentsatz dazugemischt. Selbst die Weißen werden getaucht, dadurch wird der Schmelzpunkt höher. "Außerdem hält der Rand länger stand und sorgt dafür, dass das Wachs nicht ausrinnt", beschreibt Heidi Höllerer, die gerade einen Rohling in ein Farbbecken taucht. In Sekundenschnelle wird die Kerze herausgezogen und in kaltem Wasser abgeschreckt. Die hauchdünne Schicht misst etwa fünf Zehntel Millimeter. Welche Farbe am häufigsten durch ihre Hände geht, beantwortet Heidi Höllerer ohne zögern: "Zu Weihnachten ist es das klassische Nagy-Dunkelrot und sonst ist Champagner sicherlich ein sehr beliebter Ton." Insgesamt kann man zwischen 65 Farben wählen.
Im obersten Stockwerk des Hauses ist die Verziererei untergebracht.
Hier werden die fertigen Kerzen nach individuellen Wünschen veredelt. Hochzeits-, Trauer- und Taufkerzen erhalten ihren letzten Schliff. Schriften werden zum Beispiel mithilfe einer Folie vorgezeichnet und dann von Hand mit einer feinen Nadel in das Wachs eingraviert. Aufwendig sind auch die Bemalungen von ganzen Reliefmotiven, die an der Kerze angebracht werden. "Früher haben wir viele Reliefmodelle zum Aufhängen an die Wand produziert, heute wird dass kaum mehr nachgefragt", erklärt der Eigentümer. Knapp 800 Modeln, vorwiegend mit religiösen Motiven, sind im Familienbesitz. Zum Bemalen der Kerzen werden neben Acryl- auch noch immer Ölfarben verwendet. Eine besonders schöne Form der Veredlung genießen sogenannte Nischenkerzen. Andrea Preisenschuh bearbeitet gerade eine davon: "Der vordere Teil der Kerze wird ausgeschnitten, die daraus entstandene Aussparung wird mit einer Strukturpaste ausgekleidet. In der Mitte werden kleine Figuren angebracht, die ebenfalls im Haus gegossen werden." Sechs Mitarbeiterinnen sind in dem kreativen Atelier tätig. Sie sind auch für die Entwicklung neuer Entwürfe zuständig. Pro Jahr kommen in etwa zehn bis fünfzehn neue dazu.
Das Lebzelten und Wachsziehen ist ein aussterbendes Handwerk. Traditionen aufrechtzuerhalten sind selbst für Familien keine Selbstverständlichkeit mehr. Umso schöner ist es, dass diese Manufaktur nicht aufgibt, gute Handwerksarbeit zu leisten.
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