Ursula Schneider über nachhaltiges Bauen

Ursula Schneider über nachhaltiges Bauen
Die Architektin und Vorsitzende des Ausschusses Nachhaltigkeit der Bundesingenieurkammer Ursula Schneider verrät im Gespräch mit IMMO, was nachhaltiges Bauen bedeutet und worauf es dabei ankommt.

Das Wort „Nachhaltigkeit“ wird sehr inflationär benutzt. Wie erklären Sie sich diese Entwicklung und warum gibt es bei der Interpretation immer wieder Fehler?

Mittlerweile hat vieles nicht mehr mit wissenschaftlicher Information und ehrlicher substanzieller Auseinandersetzung zu tun. Menschen darüber aufzuklären, worum es dabei tatsächlich geht, ist eines der Ziele des Ausschusses Nachhaltigkeit der Bundesingenieurkammer. Mit gezielten Veranstaltungen versuchen wir, diese Themen einem breiten Publikum näher zu bringen.

Und was ist Nachhaltigkeit?

Es gibt verschiedene Definitionen. Eine davon stammt aus dem sogenannten Brundtlandbericht aus dem Jahr 1987, welche lautet: Eine nachhaltige Entwicklung ist eine, die die Bedürfnisse der gegenwärtigen Generation abdeckt, ohne die Bedürfnisse der zukünftigen Generation einzuschränken. Dies basiert auf den drei Säulen: Ökonomie, Ökologie und Soziales. Wir sind jedoch der Ansicht, dass die Baukultur zur 4. Säule werden muss. Eine weitere Erklärung ist etwa die des Architekten Roland Gnaiger: Die Grundlagen von Nachhaltigkeit sind Vorausschau, Vorstellungskraft und vernetztes Denken, gepaart mit Vernunft, Verständnis und Verantwortung.

Vorausschauend auch in Hinblick, welche Materialien verwendet werden?

Ursula Schneider über nachhaltiges Bauen
Ja, selbstverständlich. Öl zum Beispiel ist ein viel zu wertvoller Rohstoff, um ihn einfach nur zu verbrennen. Nachwachsende Rohstoffe werden in Zukunft einen wertvollen Beitrag leisten. Vor allem seltene Stoffe oder solche, die energie- oder wasserintesiv in der Herstellung sind, müssen intelligent genutzt werden und dürfen nur dort zum Einsatz kommen, wo sie ihre Stärken ausspielen können. Ein geschlossener Stoffkreislauf ist besonders wichtig. Es ist also eine Frage des intelligenten Handelns.

Dies hätte aber auch hohe Investitionen zur Folge.

Das stimmt derzeit, denn in unserer Gesellschaft gibt es eine ganz bestimmte Kostenstruktur was etwa Energie, Arbeit und Material kosten. Und diese begünstigt nachhaltiges Bauen derzeit nicht besonders. Das wird sich aber ändern müssen. In der Energiewirtschaft findet zurzeit ein Umbruch statt. Hier hat es bisher geheißen, erneuerbare Energien seien viel zu teuer. Schön langsam sickert durch, dass dies nicht so bleiben wird. Für den Privaten stellt sich allerdings noch eine weitere Herausforderung. Die meisten kalkulieren heute nur mit den Investitionskosten und machen keine Lebenszyklus-Kostenberechnung, wie viel das Haus die nächsten 50 Jahre kosten wird. Hier wäre ein Umdenken dringend erforderlich, vielleicht braucht es sogar rechtliche Rahmenbedingungen.

Warum wären hier Gesetze notwendig?

Das Thema Sanierung ist ein gutes Beispiel. Es ist im Moment unser drängendstes Problem, weil zu wenig vorgesorgt wurde und daher an allen Ecken und Enden das notwendige Geld fehlt. Denken im Lebenszyklus erfordert auch Lebenzyklusrücklagen. Nicht nur für Genossenschaften, sonder auch für Private. Damit sichert man auch eine qualitative Sanierung und nur die ist dann auch überlebensfähig und nachhaltig.

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