Pflanzennamen: Mitzele und Scheißplatt

Pflanzennamen: Mitzele und Scheißplatt
Pflanzennamen: Jede Art hat drei Bezeichnungen: Eine lateinische, eine in der Hochsprache, eine im Dialekt. Ein bedrohtes Kulturgut.

Vertrauen Sie, der Frühling kommt bestimmt. Die Zeit, die bleibt, nutzt man am besten mit Vorfreude auf die Vorfrühlingsblüher. So wie die Germanistin Eveline Wandl-Vogt vom Institut für Dialekt- und Namenlexika der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Sie sammelt alte Pflanzennamen und bewahrt sie so vor dem Vergessen.

Wussten Sie zum Beispiel, dass man die Schneerose in der Steiermark bei 15 verschiedenen Namen nennt: Gläntsche oder Kloantschn (im Mürztal), Gülle, Güllkräutel oder Güllwurz, Gemmer, Schneekaterl, Weihnachtsrose, Kristrose und Kristwurz (auch in Kärnten und Osttirol), Almresedl, Gockerlenze, Gogolenze, Schneekannerl und Gaugerlwurzn (in Gösseck)? Nicht? Kein Wunder. "Die alten Namen gehen mehr und mehr verloren", erklärt Heimo Rainer, Botaniker und Tropen-Spezialist am Naturhistorischen Museum. An ihre Stelle treten meist hochdeutsche, etwas gespreizte Büchernamen.

Datenbank

Pflanzennamen: Mitzele und Scheißplatt

Im Amazonasbecken spürte der Tropen-Botaniker Heimo Rainer "Theobroma grandiflorum" auf, den Großblüten-Kakaobaum. Die Indios nennen ihn aber Cupuaçu . Übrigens: Aus seiner Frucht gewinnt man in Brasilien ein vorzügliches Schoko-Eis.

Wandl-Vogt und Rainer geben ihr Wissen weiter, egal, ob sie im Regen- oder im Wienerwald forschen. Ihre Aufzeichnungen fließen in die zentrale Datenbank für weltweite Kulturgüter ein (www.europeana.eu). Die Akademie der Wissenschaften betreibt außerdem eine eigene digitale Sammlung (www.wboe.oeaw.ac.at).

Der österreichische Namen-Champion ist der Krokus. Für die gelben, violetten, lila, weißen oder weiß-lila gestreiften Blüten gibt es 60 Bezeichnungen. Purzigagel ist zum Beispiel in Tirol üblich. Der Name setzt sich aus "purzeln" und "gaukeln" zusammen. Wie die Menschen darauf gekommen sind, liegt im Dunkeln, das Wort bedeutet aber "stolpern und Narrenpossen treiben". Anderswo sagt man: Gugguloanzn (Sausal), Bluaschtalan (Nockberge), Englsplia (Defereggen), Kasbleaml (Pinzgau), oder einfach: Vota und Muata (Kärnten).

Ostern naht

Pflanzennamen: Mitzele und Scheißplatt

Die Palmkatzerln werden meist von Salweiden geschnitten. Wie meinen? Die Zwettler sagen lieber Polnkatzln, die Bad Radkersburger Solchn, die Birkfelder und Gmundner Wossapolm und die Bregenzer Mitzele. Insgesamt 17 Volksnamen für die Weiden sind verzeichnet.

Die Tradition des Namensammelns ist uralt. Der erste europäische Botaniker, Carolus Clusius, notierte auf seinem Forschungsritt durch Österreich anno 1583: Stein Weixel, Adlasber, Weysse baldrian und Kreutz Wurtz. So steht es in seiner "Flora der Seltenheiten", das Original ruht heute in einem Tresor in Güssing. Fast ein halbes Jahrtausend später ist gar nicht mehr so leicht zu entscheiden, welche Pflanzen der Forscher damals vor Augen hatte. Wandl-Vogt übersetzt: Felskirsche, Elsbeere, Maiglöckchen und Kreuz-Enzian. Alles klar? Alt und sehr österreichisch sind außerdem: Scheißplatt, Hoadachl und Zotlhosn – auch als Alpendost, Hartheu und Finger-Lerchensporn bekannt. Schön sprechen!

Apropos: Ein Weinviertler versteht unter einer nackten Jungfrau nicht das, was Sie vielleicht annehmen. Eine nockadi Jungfa ist in der Region nämlich eine Herbstzeitlose, gelt?

Dialekt: Frühling auf Österreichisch

Die alten Germanen unterschieden nur zwischen Sommer und Winter. Die Bezeichnung Frühling oder Frühjahr ist relativ jung, sagt der Sprachforscher Hubert Bergmann vom ÖAW-Institut für Dialekt und Namenforschung. Die älteste Bezeichnung für Frühling ist Lenz, der heute nur noch dichterisch verwendet wird. Das Wort sei etymologisch mit "lang" verwandt, sagt der Forscher. Gemeint waren damit die länger werdenden Tage im Frühjahr.

Das war es aber noch lange nicht: Im Tiroler Paznaun heißt der Frühling Långez , in der Gegend um Lienz Langes und im Salzburger Flachgau Lanzing. Der heutige Standard-Name Frühling stammt ursprünglich aus einem kleinen Gebiet in Oberösterreich.

In Kärnten ist das Wort Auswart oder auch Auswärts üblich. "Dieser Bezeichnung liegt die Vorstellung zugrunde, dass das Jahr der schönen Zeit entgegengeht", erläutert Bergmann. Der Herbst heißt logischerweise Einwärts.

Sprachforscher finden Parallelen zwischen dem Deutschen und dem Friulanischen oder Slowenischen. "Im Friulanischen heißt der Frühling insude, was eine Ableitung des lateinischen ‚exire‘, hinausgehen, ist.“

Mehr zum Thema

  • Hintergrund

  • Hauptartikel

  • Hintergrund

Kommentare