Otto Wagner: Der Architekt des lieben Gottes

Otto Wagner: Der Architekt des lieben Gottes
Seine Bauten prägen das Stadtbild Wiens. Nun sorgten die Pläne um die Verbauung des Areals am Steinhof für große Unruhe.

Durch ihn wurde Wien zur modernen Weltstadt. Seine Bauwerke verliehen der Metropole Stil, Würde und Charakter. Doch es könnte weit mehr Otto-Wagner-Bauten geben, hätte man auch andere seiner genialen Pläne in die Tat umgesetzt, statt sie als "Verrücktheiten" abzulehnen. "Nur nix Neues", lautete die Devise, mit der viele seiner Projekte verhindert wurden. Jetzt ist der Name Otto Wagner durch die vermutlich abgewendete Verbauung des Areals am Steinhof in aller Munde.

Otto Wagner: Der Architekt des lieben Gottes

Die Wiener rümpften die Nase, wenn zur Jahrhundertwende ein neuer Bau von Otto Wagner aus dem Boden schoss. Doch Kennern war klar, dass hier Bedeutendes entstand. Der als Sohn eines k. k. Notars geborene Wiener wusste früh, dass er Baumeister werden wollte. Seine Lehrer waren die berühmten Architekten Eduard van der Nüll und August von Sicardsburg, die für ihren Bau der Staatsoper angefeindet und in den Tod getrieben wurden.

Vieles nicht gebaut

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Deren begabtester Schüler Otto Wagner beteiligte sich an Architekturwettbewerben, kam bei Großbauten aber kaum zum Zug. Denn selbst wenn seine Entwürfe auf Platz eins landeten, wurden oft weniger bedeutende verwirklicht. Unter den von ihm konzipierten, nicht umgesetzten Projekten befinden sich mehrere Museen, die Kunstakademie, der Kursalon, ein Verkehrskonzept für die rapide wachsende Großstadt und die (bis heute nicht wirklich gelöste) Neugestaltung des Karlsplatzes. "Man könnte vor Wut weinen", sagte der ebenso berühmte Architekt Adolf Loos, dass so viele der "herrlichen Gedanken Otto Wagners" nie zur Ausführung kamen.

Auch von seinen Sakralbauten wurde nur einer verwirklicht: die Kirche am Steinhof. Hätte sich der liebe Gott einen Architekten für diesen traumhaft schönen Platz ausgesucht, wäre es wohl Otto Wagner gewesen

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So diszipliniert er in seiner Arbeit war, so turbulent gestaltete sich sein Privatleben. Wagners Vater starb, als er fünf war, danach klammerte er sich ganz an seine Mutter. Freunde meinten, dies sei der Grund für seine meist schwierigen Beziehungen gewesen: Seine Geliebte Sophia Paupie schenkte ihm in "wilder Ehe", einer damals ungewöhnlichen Lebensform, zwei Söhne, die er später adoptierte. Geheiratet hat Wagner Josefine Domhart - aber nur, weil ihn die übermächtige Mutter dazu drängte. Josefine brachte zwei Töchter zur Welt, doch er wurde auch mit ihr nicht glücklich und ging eine Beziehung mit der Wienerin Luise Stiffel ein. Kaum war Wagners Mutter tot, ließ er sich von Josefine scheiden, um Luise zu heiraten, die ihm drei weitere Kinder schenkte.

Jugendstil

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Wie Klimt und Schiele in der Malerei, war Wagner in der Architektur ein Wegbereiter der Moderne, des Jugendstils. In jungen Jahren Wiens barocker Tradition verpflichtet, sah er sein Frühwerk später als "alberne Jugendsünde". Da ihm viele Großprojekte versagt blieben, baute er Villen, Büro- und Mietshäuser, die ihm ein sorgenfreies Leben ermöglichten. Seinen Durchbruch erlebte er 1894 mit den Stationen der Wiener Stadtbahn, zehn Jahre später schuf er mit der Postsparkasse sein Meisterwerk. Was an seiner Arbeit fasziniert, ist die Symbiose von Kunst und Zweckmäßigkeit, wobei er alles selbst entwarf: Gebäude, Möbel, Fliesen und sämtliche Details vom Klingelknopf bis zur Türklinke.

Kaiser

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Dass mit dem Postsparkassen-Gebäude erst einer der letzten Bauaufträge für die Ringstraße an Otto Wagner ging - obwohl er sich auch hier an etlichen Ausschreibungen beteiligt hatte - liegt wohl daran, dass Kaiser Franz Joseph den historistischen Stil bevorzugte und alles Moderne ablehnte. Allerdings war Wagner auch wenig diplomatisch und entgegnete, als Franz Joseph einmal die Schlichtheit einer Fassade kritisierte: "Majestät, zu Maria Theresias Zeiten waren die Kanonen reich verziert, heute sind sie glatt. Aber schießen tun sie heute genauso gut wie damals." Niemand sonst wagte es, so mit dem Kaiser zu sprechen.

Otto Wagner: Der Architekt des lieben Gottes

Mit seiner zweiten Ehefrau Luise fand Wagner die Liebe seines Lebens, und er glaubte in ihr - obwohl sie um 18 Jahre jünger war als er - die verstorbene Mutter wieder zu finden. Umso tragischer war es, als Luise 1915 nach 34-jähriger Ehe starb. Otto Wagner lebte von da an zurückgezogen und schrieb seiner Frau, wie zu ihren Lebzeiten, weiterhin jeden Tag einen Brief. Er starb drei Jahre nach ihr und fand in der von ihm entworfenen Familiengruft am Hietzinger Friedhof seine letzte Ruhe.

Die jetzt ein paar Wochen lang durch den befürchteten Neubau von 600 Wohnungen im Schatten der Otto-Wagner-Kirche empfindlich gestört war.

Otto Wagner: Häuser, Villen, Pavillons

Otto Wagner: Der Architekt des lieben Gottes

- Der Architekt: Otto Wagner wurde am 13. Juli 1841 in Wien als Sohn eines Notars geboren. Er absolvierte eine Maurerlehre, studierte mit 16 Jahren Baukonstruktion am Polytechnischen Institut, dann in Berlin und an der Akademie der bildenden Künste in Wien, an der er später selbst unterrichtete.

- Das Werk: Mit 21 bekam er den ersten Bauauftrag, seine bedeutendsten Werke in Wien sind die Kirche der Heilanstalt am Steinhof, Postsparkasse, Wohnhäuser u. a. an der Linken Wienzeile, am Rennweg, in der Neubaugasse, Bauten am Donaukanal, die Schleusenanlage in Nussdorf, rund 30 Stadtbahn-Pavillons und zwei Villen in Wien-Hütteldorf. Eine davon dient dem Maler Ernst Fuchs als Wohnung und Atelier.

- Persönliches: Otto Wagner hatte mit drei Frauen sieben Kinder, glücklich war er nur mit seiner zweiten Ehefrau Luise. Er starb am 11. April 1918 mit 76 Jahren.

- Ausstellung: In der Wiener Postsparkasse, 1010 Wien Georg-Coch-Platz 2, ist eine Ausstellung über Otto Wagner und die Postsparkasse zu besichtigen.

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