Museumsarchitektur: Gebaute Kunstwerke

Museumsarchitektur: Gebaute Kunstwerke
Die Hülle soll neugierig machen und Aufmerksamkeit erregen. IMMO zeigt Museen, bei denen die Gratwanderung gelungen ist.

Darf ein Gebäude in den Vordergrund rücken, wenn es eine Bühne für Kunstwerke bieten soll?

Erwin Stättner, Architekt bei „Franz&Sue“ bezeichnet es als eine „Gratwanderung zwischen Kunst und Architektur“.

Der Bau dürfe dominant sein, solange auch die Kunst zur Geltung kommt. Das sieht auch Bernhard Marte von „marte.marte Architekten“ so: „Museumsarchitektur darf einen gewissen Ausdruck haben.“ Die architektonischen Ansätze seien aber sehr unterschiedlich und in der Planung nur eine von vielen Anforderungen. Denn ein Museum muss – wie jeder Bau – bestimmte Funktionen erfüllen.

Museumsarchitektur: Gebaute Kunstwerke

Funktionales Kunstwerk

„Die Räume müssen so geschaffen sein, dass Ausstellungen optimal funktionieren“, so Marte, der mit der Landesgalerie Niederösterreich sein viertes Museum geplant hat. Damit Räume funktionieren, müssen sie flexibel sein. Das bedeutet laut Marte, dass Wände je nach Bedarf eingezogen oder entfernt werden können.

Was den Aufbau des Museums betrifft, ist eine selbsterklärende Raumabfolge unverzichtbar. Das weiß der holländische Architekt Ivo van den Thillart: „Wird das Gebäude neu geplant, kann das Leitsystem so designt werden, dass die Route automatisch durch die Werke führt.

In bestehenden Bauten ist das schwieriger.“ Sein Büro „Molenaar & Bol & van Dillen Architects“ stellte sich 2018 der Aufgabe, ein Geschichtemuseum in eine Kirche zu integrieren. Durch das Museum führen Interessierte nun Audioguides.

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Klima und Licht

Damit sich Besucher und Kunstwerke gleichermaßen wohlfühlen, ist auch das Raumklima entscheidend. „Temperatur und Feuchtigkeit müssen passen, damit den Werken nichts passiert. Gleichzeitig sollen die Energiekosten aber gering gehalten werden“, erklärt Erwin Stättner.

Daher hat Franz&Sue das Sammlungs- und Forschungszentrums der Tiroler Landesmuseen 13 Meter tief unter die Erde gegraben. „So wird die gleichbleibende Temperatur im Boden genützt“, weiß Stättner.

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Neben dem Klima ist auch das Licht ein entscheidender Faktor. Während manche Werke Farbe verlieren könnten, schadet anderen Objekten das direkte Sonnenlicht nicht.

Die unempfindlichen Objekte im Kunstmuseum Amos Rex nutzte das finnische Architektenteam „JKMM“ für den Bau. Dort fluten Kuppeln am Dach die Ausstellungsräume mit Licht und kreieren eine eigene Atmosphäre.

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Der äußere Aspekt eines Museum ist ebenfalls essenziell. Denn er sollte Aufmerksamkeit erregen. Das Depot der Tiroler Landesmuseen ist beispielsweise in einem matten Schwarzton gehalten. „Wir wollten nicht laut sein, aber neugierig machen“, so Stättner.

Weniger dezent ist der Bau der Landesgalerie Niederösterreich. „Die Vorgabe war, eine Verbindung zwischen Donau und Museum herzustellen – und das haben wir durch die Gebäudeform erreicht“, so Marte.

Auch in der Geschichte zeigen sich Museen als imposante Gebäude. Sie sind laut Marte „nicht nur der Behälter für Kunst.“

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Irische Zeitreise

Kaum zu glauben, dass das Museum „Ireland’s Medieval Mile“ in Kilkenny, Irland,  bis vor Kurzem noch von Vandalismus geprägt war. Die heute  in ein Museum umfunktionierte   Kirche St. Mary’s und der dazugehörige Friedhof stammen aus dem  13. Jahrhundert und  wurde viele Jahre sich selbst überlassen. Umso erfreulicher war die Nachricht der Restaurierung des heruntergekommenen Stadtteils  für die Bewohner der Stadt. Gemeinsam erarbeiteten die Architektin Evelyn Graham und das Büro „McCullough Mulvin Architects“ ein neues Konzept, das den denkmalgeschützten Bau erhalten und gleichzeitig wiederbeleben sollte. Dabei machten sie überraschende Funde, wie geschnitzte Skulpturen oder ein Begräbnisgewölbe unter der Kirche, das im 17. Jahrhundert angelegt und nun für Besucher freigelegt wurde.  Neben der Erneuerung von Steinmauer, Dach und Fenster wurde der seitliche Anbau mit Blei verstärkt.

 

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Scheinwerfer an

Der Glaspalast in Helsinki (Lasipalatsi) ist um eine Attraktion reicher. Dass diese ausgerechnet im Kellergeschoß zu finden ist, mag zunächst überraschen, das Konzept des Museums „Amos Rex“ überzeugt Besucher aber sehr rasch – vor allem durch architektonischen Feinheiten. Nach fünf Jahren Bauzeit und einer Investition von 50 Millionen Euro wurde das Museum im August 2018 eröffnet. Für die neuen Ausstellungsräume mussten sich die Architekten von „JKMM“ aber zuerst einmal Platz machen. Dafür wurden mitten im Glaspalastes 13.000 Quadratmeter Stein ausgegraben und damit 2200 Quadratmeter Ausstellungsfläche gewonnen. „Mit der neuen Ebene verbinden wir die Vergangenheit mit der Zukunft“, sagt Architekt Asmo Jaaksi. Ein besonderes Highlight sind auch die Kuppeln an der Decke,  die  der Kunst als Scheinwerfer dienen.

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Bei Petrus

Die Kirche „De Petrus“  in der holländischen Gemeinde Vught sollte eigentlich abgerissen werden. Um das zu verhindern, hat sich eine Gruppe aus einheimischen Unternehmern zusammengeschlossen und den denkmalgeschützten Bau gekauft. In Zusammenarbeit mit der Gemeinde wurde im Anschluss vereinbart, dass das örtliche Geschichtemuseum und die Bibliothek in das Gebäude umziehen sollten. „Dadurch konnte ein Umbau finanziert werden“, erzählt Ivo van den Thillart vom Büro „Molenaar & Bol & van Dillen Architects“. Die Besonderheit des  2018 fertiggestellten Baus lag einerseits darin, mit Vorsicht zu planen, um die denkmalgeschützten Bereiche nicht zu  beschädigen. Andererseits musste ein multifunktionaler Bau geschaffen werden, der Museum, Bibliothek und Cafés  gleichermaßen vereint. „Das Museum führt durch das gesamte Haus und ist einsehbar“, so der Architekt. Damit Besucher den Weg finden, helfen Audioguides.

 

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Die Schatzkiste

Materialien aus der Steinzeit, Vasen, Fotografien, Möbel aber auch Schmetterlinge, Larven und Käfer – kurzum das Sammlungs- und Forschungszentrum der Tiroler Landesmuseen brauchte eine neue Heimat. Der Ort in Hall in Tirol war schnell gefunden und für den Bau wurde ein EU-weiter Architekturwettbewerb ausgeschrieben – durchgesetzt hat sich das  Wiener Büro „Franz&Sue“. „Die Herausforderung war, dass sich das Raumklima nicht verändern und in den Lagerräumen kein Tageslicht einfallen darf. Gleichzeitig sollten die Mitarbeiter in den Büros aber nicht im Dunkeln hocken“, erklärt Architekt Erwin Stättner. Die Lösung war so simpel wie genial, denn der Großteil des Hauses ist unter der Erde. „So bleibt das Klima konstant und die Sammlungen lichtgeschützt.“ Zudem wurde der Bau kreisförmig angelegt: Außen das fensterlose Depot, innen das lichtdurchflutete Atrium.

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Licht im Tunnel

1936 wurde das „Kunstmuseum Basel“ eröffnet. 1980 wurde der Bau um das „Kunstmuseum Basel – Gegenwart“ erweitert. Insgesamt 80 Jahre später folgte 2016 ein weiteres Haus, das den etwas unkreativen Namen „Neubau“ trägt. Dort sind seither wechselnde Ausstellungen zu sehen. Für den Bau wurde ein Architekturwettbewerb ausgeschrieben. Grundstücksdetails waren bekannt, das einzige Problem:  Die Fläche lag auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Das Basler Büro  „Christ & Gantenbein“ löste diese Anforderung mit einem Verbindungstrakt. Dank eines tiefergelegten Hofs, fällt  Tageslicht in den unterirdischen Tunnel, der somit auch als Ausstellungsfläche genutzt werden kann.

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Auf zur Donau

Die Anforderungen an die Architekten für die Landesgalerie Niederösterreich in Krems: Eine Beziehung zwischen  Donau und Museum herstellen. „Das haben wir mit der Gebäudeform umgesetzt“, sagt Bernhard Marte von „marte.marte Architekten“.  Um das Museum in Richtung Donau zu orientieren, wurde die obere Ebene  zu einer Spitze geformt. Damit sich der Aufbau der umliegenden Stadt im Museum widergespiegelt, folgt das Erdgeschoß derselben Struktur wie die Stadt. Das hat dazu geführt, dass die Wände teilweise schräg liegen. Marte: „So entstehen besondere Räume, die besondere  Ausstellungen ermöglichen.“ Das Museum eröffnet am 2. 3.

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„Auf hoher See“

Bereit zum Ablegen wirkt das Designmuseum „V&A Dundee“ in Schottland. „Die Form symbolisiert die Küste, die das Festland im Nordosten Schottlands  vom Meer trennt“, erklärt der japanische  Architekt Kengo Kuma. Für seinen ersten Bau in Großbritannien 2018 musste er sich  gegen 120 Mitbewerber durchsetzen. Eine der Aufgabenstellungen für das Museum war den River Tay, an dem das Museum liegt, in den Stadtkern zu integrieren. Das gelang Kuma durch den komplexen Aufbau, bei dem sich die Außenwände vertikal und horizontal zueinander drehen. Dadurch entstand die Schiffs- und Wellenform.

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