Mein liebstes Gebäude
Architektur hat Tradition in Österreich. Und doch – so scheint es zumindest – wird Baukunst hierzulande wenig bis gar nicht wahrgenommen. Eigentlich zu Unrecht und aus diesem Grund gibt es nun die neue IMMO-Rubrik:
Ansichtssache. Heimische Architekten werden dazu eingeladen, ihr Lieblingsgebäude vorzustellen und zu erklären, wodurch es sich auszeichnet. Passend dazu liefern sie eine eigens für die Serie handgefertigte Skizze des Objektes.
Es ist ein Aufzeigen, wie abwechslungsreich, innovativ und spannend Architektur sein kann und ist. Beispiele dafür gibt es in Österreich genug. Und ab sofort finden Sie diese in den nächsten Wochen auch in IMMO.
Adolf Krischanitz – einer der bedeutendsten Architekten des Landes – und sein Lieblingsentwurf bilden den Anfang der Serie. Warum er sich für eine Pfarrkirche entschieden hat, lesen Sie am besten gleich in seinem Kommentar nach.
Adolf Krischanitz:
,Der architektonische Raum ist die Organisationsform der menschlichen Erfahrungs- und Verstellungswelt.‘ Rudolf Schwarz
"Die Pfarrkirche St. Florian in Wien-Margarten ist das Resultat eines internationalen Wettbewerbes des Jahres 1956, bei dem sich hervorragende Architekten der damaligen Zeit beteiligt hatten und es schließlich zur Beauftragung von Rudolf Schwarz kam. Unabhängig von diesem Ergebnis hagelte es Proteste wegen des Abbruchs der barocken Rauchfangkehrerkirche, einem Wahrzeichen des 5. Bezirkes, das sich mitten auf der Wiedner Hauptstraße befand und von den Wiener Verkehrsplanern als ein zu entfernendes Hindernis empfunden wurde.
Das Gebäude wurde unter ungünstigen Rahmenbedingungen von Hubert Friedl und Maria Schwarz 1963 fertiggestellt, da zu allem Überfluss der Architekt Rudolf Schwarz bei Baubeginn starb. Die letztendlich gewählte, nicht dem Wettbewerbsergebnis entsprechende Fassung galt in der damals gängigen Rezeption als nicht ideal, und man empfindet auch heute die fehlenden Lichthöfe in den Seitenschiffen als Mangel. Im Gegensatz zu St. Florian galt und gilt auch heute die erste in Österreich bei Linz von Schwarz gebaute St.-Theresia-Kirche als besonders gelungenes Werk.
Mir erscheint, obwohl die vom ersten Entwurf abgeänderte Ausführungsplanung umgesetzt wurde, die Wiener Kirche in ihrer konzentrierten Kompaktheit wesentlich interessanter und meinen Intensionen näher. Die Wiener Kirche in Wien-Margarten ist daher für mich ein unterschätztes Bauwerk, da sie durch ihre unglücklich verlaufende Geschichte vor allem in der Entstehungsphase bis heute „belastet“ scheint.
Die eher kleine Wiener Kirche ist in ihrer konzentrierten Kompaktheit und in ihrer feingliedrigen Materialität ein Phänomen an räumlicher Konsistenz und entgleitet ihrer dimensionalen Ausgewogenheit weder in der Höhe noch in der Breite und Länge. Sie behält trotz einer verhältnismäßig großen Versammlungsfläche ihren intimen inneren Halt. Trotz des erwähnten Fassungsvermögens bleibt die Grenze des Binnenraumes durch Wände, Decken und Boden dem Besucher greifbar nahe.
Die aufstrebenden Wände erzeugen in ihrer Bipolarität zwischen Hell (farbiges Glas) und Dunkel (Beton) ein sinnliches „Materialgewitter“, eine virtuose Transzendenz, um schlussendlich wieder zurückzusinken in die gebaute Endlichkeit von Tragwerk und Öffnung. Das diagonale Gitterwerk aus Beton und gefärbtem Glas, zentral am Eingang bildet es ein Kreuz, ist seitlich zu einer Baumstruktur verwoben und aus unterschiedlich breiten Feldern gefügt.
Dieses Geflecht schwebt fast, nur manchmal von Stützen getragen, über einem flachen, viel breiteren Versammlungsraum, der nur von einer Reihe heller Öffnungen unterbrochen wird. Das mittig aufragende Mittelschiff über der flachen Basis bildet in Form einer Durchdringung das zentrale Raumereignis. Durch die gespannten Sehnen der Gebäudestruktur schimmert färbig und geheimnisvoll die gläserne Haut.
Und trotzdem ist alle Vielfalt und Dynamik des Gebäudes innen und außen gefasst in eine geometrische Einfachheit. Der architektonische Gedanke wird zugunsten einer reinen Wirkung nie verraten."
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