Junge Raumforscher
Sie bauen Höhlen, Verstecke und kreieren ihre eigenen Welten. Doch meist lässt sich die kindliche Fantasie mit dem Anstieg der Lebensjahre immer weniger ausleben. Das muss nicht sein, fand Michaela Sauer, und gründete im Herbst des vergangenen Jahres den ArchitekturClub Wien. "Kinder und Jugendliche haben ein natürliches Bedürfnis, ihre Umgebung zu erkunden. Ich glaube, dass es sehr wichtig ist, dass man auf diesem aufbaut und sich weiterhin mit Räumen auseinandersetzt", sagt sie. Das Programm richtet sich an den Nachwuchs zwischen vier und achtzehn Jahren und liest sich so einladend, dass Menschen höheren Alters ein wenig neidisch sein können.
In der Sparte "Architekturwerkstatt" werden Konstruktionen wie Häuser, Räume und Brücken spielerisch erarbeitet: Mit selbst gebauten Türmen aus Pasta lernen Volksschüler etwa, wie es um die Statik und Stabilität eines Gebäudes bestellt sein muss. In einer anderen Einheit entsteht eine Kuppel aus Papier, Zahnstocher und Süßigkeiten. Im Rahmen von "Stadtpuzzle" erkunden Gruppen urbane Entwicklungsgebiete und bauen anschließend ein Modell. Angehende Designer können mittels 3-D-Drucker eine Handyhülle entwerfen, die sie hernach mit nach Hause nehmen. Oder ein dreidimensionales Modell des eigenen Zimmers, das sich virtuell den Wünschen anpassen lässt.
"Es wird spielerisch gezeigt, wie die eigene Wohnumgebung verbessert werden kann", sagt Sauer. Gemeinsam mit Architektinnen und Pädagoginnen entwickelte sie das Programm, die Kurse und Workshops finden meist in Volks(hoch)schulen statt, sind aber auch für ganze Kindergartengruppen oder Klassen möglich. "Architektur kommt im Bildungssystem aktuell zu kurz", sagt Sauer. Hier gebe es Nachholbedarf, "immerhin sind wir als Bürger dafür verantwortlich, wie unsere Umgebung aussieht. Wenn man schon als junger Mensch lernt, sich in den öffentlichen Gestaltungsprozess einzubringen und seine Bedürfnisse zu artikulieren, hat man es in Zukunft sicher leichter."
Und wohl auch ein anderes Bewusstsein für Architektur und Design. "Die skandinavischen Länder haben diese Themen seit über zwanzig Jahren in ihren Lehrplänen stehen. Sie sehen darin einen wichtigen Entwicklungspunkt."
Die Idee zum ArchitekturClub entstand naheliegenderweise auch in Helsinki, wo die Betriebswirtin anlässlich eines Symposiums zum zwanzigjährigen Jubiläum der Arkki School of Architecture for Children and Youth weilte. "Menschen aus verschiedensten Ländern haben ihre Projekte vorgestellt. Da habe ich mir gedacht, diese wären ebenso für Wien geeignet." Auch wenn es in Österreich ein gutes Angebot an Architekturvermittlung für Kinder und Jugendliche gibt – von Einrichtungen in den Bundesländern bis zu Institutionen wie dem Architekturzentrum Wien – erfreut sich der ARClub großer Nachfrage.
Das bilding bietet ein aufbauendes Jahresprogramm für 4- bis 20-Jährige in vier Werkstätten: "Malerei", "Bildhauerei", "Film und Neue Medien" sowie "Architektur und Design". Die Teilnahme ist kostenlos, daher ist man auf Spenden und Sponsoring angewiesen. Zusätzlich werden Projekte und Workshops angeboten, die kurzfristiger zu besuchen sind.
Wie sich diese Begeisterung erklären lässt? "Es ist ein Ort, der über die Kindheit und Jugendzeit kontinuierlich für die Leute da ist, das ist schon einzigartig. Wir möchten die Kinder auch lange bei uns halten und ihnen das liefern, was sie brauchen." Besonders ist zudem, dass Künstler und Architekten die Einheiten leiten.
Das persönliches Ziel von Abendstein ist es, dem kreativen Potenzial mehr Aufmerksamkeit zu widmen: "Man soll dieses als eines der wichtigsten menschlichen Wesenszüge erkennen, fördern und damit die Selbstständigkeit der Individuen stärken." Zudem gelte es gerade hinsichtlich der Baukultur Wissen zu vermitteln.
"Wir verbringen achtzig Prozent unserer Lebenszeit in gebautem Umfeld und stecken einen großen Teil unseres Geldes in Wohnraum. Wenn wir diesen mitgestalten und damit die Zufriedenheit steigern können, erhöht sich auch die Lebensqualität. Das sollten wir uns nicht nehmen lassen."
Die Anforderungen an das neue Gebäude waren auch dementsprechend hoch. Entworfen und entwickelt wurde es von Studenten des Instituts für experimentelle Architektur/Studio 3 der Universität Innsbruck, umgesetzt mit unterstützenden Firmen. Den Platz im Rapoldipark stellt die Stadt für mindestens fünf Jahre zur Verfügung. "Es ist selten, dass man in städtischem Grünraum bauen darf, daher erforderte es Sensibilität. Das Ziel war, den Ort neu und positiv aufzuladen. "
Mit dem geschwungenen Pavillon aus Holz und Glas entstand ein idealer Ausgangspunkt, um sich mit Planen und Errichten zu beschäftigen. "Man glaubt, dass Architektur ein sperriges Thema ist, aber im Grunde ist es sehr alltagsnah. Wenn man Kinder beobachtet, sind sie ständig am Bauen von Dingen. Dieses Vermögen möchten wir erhalten." Und damit die Welt von morgen ein Stück weit besser gestalten.
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