James Van Vossel: "Design ist ein Wagnis"
Der griechische Mathematiker Archimedes hatte seine berühmte Entdeckung in der Badewanne. Sie wollten mit dem Beistelltisch "1025" für Thonet ebenfalls einen "Heureka-Effekt" erzielen. Wie war es bei Ihnen?
Ich war an meinem Arbeitsplatz. Hier arbeite ich selten am Computer, sondern vielmehr mit Werkzeugen, um Dinge zu gestalten. Ich skizzierte drei Elemente auf einem Kreis, eigentlich ein Widerspruch. Dann fing ich gleich mit Schnüren zu arbeiten an: Wie kann ich diesen Tisch schön gestalten? In Hinblick auf Abstände, Dicke, Länge, die Richtung der Maserung. Bei diesen Experimenten merkte ich, dass ich etwas gestalten möchte, was das Zusammenspiel mit dem Nutzer braucht. Wie ist der Tisch gemacht, kreuzen sich die Beine? Wie geht man daran vorbei? Und schließlich auch: Wie ändert der Blickwinkel das Objekt?
Wie haben sich diese Fragen auf die Gestaltung ausgewirkt?
Mein erster Titel lautete "t(h)ree in a row". Und das Prinzip gilt immer noch: Wie lassen sich drei Beine aus Massivholz minimalistisch und elegant anordnen? Sie bilden, in einem Abstand von 120 Grad, einen imaginären Kreis am Boden. Je nach Perspektive erscheinen verschiedene Ellipsen.
Haben Sie beim Entwurf auch an die Geschichte von Thonet gedacht?
Für mich war es wichtig, die Werte und das Wissen von Thonet im Produkt zu integrieren. Etwa die Komplexität des Einfachen: Auf der Suche nach der Essenz wurden die Teile auf vier wesentliche reduziert und funktional verfeinert. Oder die exakte Perfektion, für die es industrielle Maschinen ebenso wie Handwerksarbeit braucht. Von der Maserung bis zum perfekten Winkel. Und zudem ging es um das Aha-Erlebnis: Mit Thonet verbinde ich gedankenvolle, funktionale Elemente aus Tradition.
Haben Sie Bilder im Kopf, bevor Sie mit der Arbeit beginnen?
Nein, ich starte immer mit Experimenten oder mit Skizzen, um etwas Kurioses zu schaffen. Zeichnen bedeutet für mich Leben.
Ihre Projekte haben allesamt einen kreativen, unverwechselbaren Stil. Was treibt Sie an?
Ich kann keinen zweiten Sessel machen – aber ich kann ein Möbelstück entwerfen, auf dem man sitzen kann. In früheren Jahren habe ich gemerkt, dass es sehr schwierig ist, dies den Produzenten zu erklären. Aber ich blieb hartnäckig. Design ist das Wagnis, ein Statement zu setzen – nicht die ewig gleichen Formen für immer beizubehalten, nur weil wir es gewohnt sind.
Ich kann das Material nicht von der Form trennen. Ich liebe es, die vielfältigen Möglichkeiten der Stoffe zu erforschen, Grenzen zu erkennen und dabei etwas zu lernen. Das Wissen um die unterschiedlichen Handhabungen, Bedürfnisse und Nutzer machen für mich den Reiz aus. Dabei ist es egal, ob ich zum Beispiel eine Brille oder eine Lampe entwerfe. Gutes Design muss für mich zweckdienlich, funktional, ergonomisch sowie ästhetisch sein und eine Verbesserung darstellen. Ich muss von der Idee dahinter fasziniert sein. Gut ist es auch, wenn ich mir denke: Verdammt, das hätte ich selbst erfinden sollen.
Ihren Objekten wohnt stets ein gewisser Witz bei. Stellt Humor für Sie eine wichtige Quelle der Inspiration dar?
Designen und Leben bedeutet Spaß. Ich möchte den Menschen ein Lächeln entlocken, wenn sie meine Sachen zu Hause ansehen. Ich denke, die Inspiration ist generell eine Frage der Wahrnehmung: Alles kommt aus dem verworrenen Verstand des Designers.
Gibt es etwas, das Sie unbedingt entwerfen möchten?
Ja, Schuhe. Dinge, die ich noch nie zuvor getan habe, treiben mich an. Das ist nicht der leichteste Weg, aber ich habe keine Angst, immer wieder von null anzufangen.
Was ist der beste Fehler, den Sie je gemacht haben?
Stur darauf zu beharren, was ich gerade im Sinn habe.
Eine Sonnenbrille mit Echthaar zählt wohl zu den skurillsten Entwürfen von James Van Vossel. Neben Augengläsern und Modeaccessoires gestaltet der Belgier Möbel, Leuchten und andere Produkte. 1977 geboren, gründete der Designer 2006 sein Studio „James“ und fungierte als Mitgründer der kreativen Kooperation „Fox & Freeze“ mit Tom De Vrieze. www.jamesvanvossel.be
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