Interview mit Wolfgang Palme: Gemüse im Winter anbauen

Wolfgang Palme in der City Farm Augarten
Der Wintergemüse-Pionier Wolfgang Palme zeigt, wie frisches Grün auch bei Frost gedeiht. Ein Besuch in der City Farm Augarten.

KURIER: Herr Palme, Sie haben sich in den vergangenen Jahrzehnten intensiv mit dem Gemüseanbau im Winter beschäftigt. Warum?

Wolfgang Palme: Der Winter gilt als verlorene Jahreszeit im Garten. Für die meisten Gärtner dauert die Saison von März bis Ende Oktober. In vielen Lehrbüchern steht, dass Salate bei Minusgraden erfrieren. Doch das stimmt nicht. In unseren Forschungen konnten wir zeigen, dass viele Salate und Gemüsearten viel frosthärter sind, als bisher angenommen wurde. Das eröffnet ein ganz neues Universum für den Gemüseanbau. Denn damit können wir das Naheliegende nutzen und auf teure Technik oder Importe aus Südländern verzichten.

Beim Gemüseanbau im Winter denken viele an Gewächshäuser mit Beleuchtung und Heizung. Welche Ausstattung ist notwendig?

Beleuchtung und Heizung geht am Sinn der Sache vorbei. Ziel sollte sein, dass Menschen sich lokal, saisonal und ressourcenschonend ernähren können. Und das gelingt sehr einfach. Das Geheimnis des erfolgreichen Wintergärtnerns ist, dass rechtzeitig damit begonnen wird. Der Winter ist zwar eine Erntezeit, aber wegen Kälte und weniger Licht keine Hauptwachstumszeit. Beim Wintergärtnern muss man schon den Sommer und den Herbst nutzen, um genug Blattmasse zu bekommen. Mangold beispielsweise sollte schon im Sommer gesetzt werden, ebenso Kohlgemüse. Der Herbst ist der Frühling des Winters.

Ist es jetzt, Ende September, schon zu spät, um mit der Wintergärtnerei zu beginnen?

Nein, auf keinen Fall. Hier in der neuen City Farm Augarten bereiten wir gerade die Beete vor. Manche Salatarten wie Asia-Salate, Romana-, Babyleave- und Bataviasalate eignen sich wunderbar für den Winter und können jetzt noch gesät werden.

Interview mit Wolfgang Palme: Gemüse im Winter anbauen

Erinnerung an den letzten Winter: Salate im Glaskasten

In welchem Monat sollte man idealerweise für den Winter starten?

Das ist je nach Gemüse unterschiedlich. Wir haben einen genauen Jahresplan ausgearbeitet, wann welche Sorten ausgepflanzt werden können. Insgesamt haben wir 77 Gemüse- und Kräuterarten identifiziert, die sich für den Wintergarten eignen. Darunter sind etwa Karotten, Kohlrabi, Brokkoli, verschiedene Kohlarten und Rote Rüben. Es gibt nichts Wertvolleres, als ein paar Blatt frisches Grün aus dem Garten im Winter.

Bei Ihnen hier im Augarten stehen überall Glaskästen. Sind solche Kästen notwendig oder gelingt ein Anbau auch im Freiland?

Kästen sind eine gute Sache. Es eignen sich auch Folien, um die Pflanzen vor Nässe zu schützen. Manche Hochbeet-Hersteller bieten auch spezielle Aufsätze für den Winteranbau an. Es gibt auch Gemüse, das im Freiland wächst wie Mangold. Und auf einer geschützten Terrasse oder Loggia ist ebenfalls kein Schutz notwendig. Wichtiger als der Kälteschutz ist aber eine gute Belüftung. Die Überdachung sollte immer einen Spalt haben, wo genug Luft hereinkommt. Das gefährlichste im Winter sind nämlich Pilzerkrankungen. Sie entstehen, wenn die Blätter tropfnass sind oder das Kondenswasser irgendwo heruntertropft. Dann kommt Fäule und Schimmel. Nicht der Frost ist die Bedrohung, sondern unkontrollierte Nässe.

Brauchen die Pflanzen im Winter viel Pflege?

Man muss sehr wenig machen. Wenn die Pflanzen ausgesetzt und einmal gegossen wurden, dann wachsen sie von selbst. Beim Gießen sollte man sparsam sein. Zwei bis dreimal pro Winter reicht völlig aus. Die Pflanzen sollten eher trocken gehalten werden. Auch Düngen ist nicht notwendig, sogar kontraproduktiv, weil sie sonst zuviel Stickstoff bekommen.

Interview mit Wolfgang Palme: Gemüse im Winter anbauen

Buch von Wolfgang Palme: "Frisches Gemüse im Winter ernten"

Ist der Boden nach einem langen Sommer nicht zu ausgelaugt, um auch im Winter Nährstoffe für Pflanzen zu bieten?

Das Gegenteil ist der Fall. Es tut dem Boden gut, wenn er ganzjährig bepflanzt ist. Generell sollte man bei der Wahl der Erde sehr sorgfältig sein. Die Sackerl-Erde aus dem Supermarkt ist leider oft nicht ausreichend. Man sollte rund 15 bis 20 Prozent Kompost und ein Drittel Grunderde (Mutterboden) beimischen.

Wie erfahren sollte man als Gärtner sein, um mit dem Winteranbau zu beginnen?

Die meisten Menschen kennen Gärtnern nur vom Sommer. Sonne, Paradeiser, Paprika – alles verbindet sich mit dem Sommer. Im Winter muss man das Gärtnern von der anderen Seite denken. Im Hochsommer muss gesät und vorgezogen werden, sodass im Herbst ausgepflanzt werden kann. Um tatsächlich zu starten, brauchen viele Gärtner eine handfeste, praktische Anleitung. Daher bieten wir in der City Farm Augarten viele Workshops und einen Jungpflanzenverkauf für den Winter an. Das hilft bei den ersten Schritten. Ich kann allen aber nur raten: einfach mal versuchen. Auch der Topf am Balkon oder die Fensterkiste lässt sich als Anbaufläche für den Winter ganz leicht nutzen. Unser Motto in der City Farm Augarten lautet: der kleinste Garten ist ein Topf.

 

Wintergemüse-Workshop am Freitag, 28.9. (15 bis 19 Uhr) in der City Farm Augarten. www.cityfarm.wien

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