"Vieles passiert mittlerweile mit Augenmaß. Aber wir haben auch ein paar Hilfsmittel, um auf Nummer sicher zu gehen, dass auch wirklich jeder Baum in der Linie steht", sagt Wolfgang Schelberger. Er ist bereits seit über dreißig Jahren Teil einer der Arbeitspartien, die sich darum kümmern, dass im Garten des Schloss Schönbrunn alles wächst und gedeiht. Bei einem der letzten Rundgänge von Brigitte Mang in ihrer Funktion als Direktorin der Österreichischen Bundesgärten (Anm. d. Red.: ab Februar 2017 übernimmt sie die Leitung der Kulturstiftung Gartenreich Dessau-Wörlitz) hat IMMO sie begleitet. Dabei treffen wir auch auf die Truppe von Wolfgang, die gerade dabei ist, eine der unzähligen Lindenalleen in Form zu bringen. Je nach Alleetyp werden die Bäume wand- oder bogenförmig geschnitten. Eine über Holzpflöcke gespannte Schnur dient als Anhaltspunkt, damit die Gärtner beim Schnitt nicht die Spur verlieren. Das selbst gebastelte Lot, welches am Spaliergerüst hängt ist ein weiteres Hilfsmittel. Insgesamt arbeiten rund siebzig Mitarbeiter im gärtnerischen Bereich von Schönbrunn, der den Schlosspark, die Schauhäuser, die Botanischen Sammlungen und die Produktion umfasst. In Zahlen sind das 160.000 Quadratmeter Parkfläche für die sie zuständig sind. Egal in welche Richtung man auch blickt, alles wirkt unfassbar akkurat und wie auf einem Reißbrett konstruiert. Die gestalterische Perfektion überrascht den Laien, vor allem aber die Tatsache, wie es gelingt, diese beizubehalten. "Es gibt ein Gutachten, welches anhand eines Parkpflegewerkes und unter Berücksichtigung des Denkmalschutzes erarbeitet wurde. Darin ist klar definiert, in welchen Bereichen des Gartens welcher Leitzustand einzuhalten ist", erklärt Mang.
Um sich allerdings ein noch besseres Bild über den Zustand und die Pflanzenvielfalt zu machen, muss man geschichtlich weit ausholen. Begonnen hat alles schon vor über zweihundert Jahren, als aus dem ursprünglichen kaiserlichen Jagdgebiet ab dem späten 17. Jahrhundert ein Zier- und Lustgarten wurde. Als Gartenkünstler waren
Jean Nicolas Jadot, Jean Brequin de Demange,
Louis Gervais und Adrian von Steckhoven tätig. "
Maria Theresia und ihr Sohn
Josef II. öffneten schließlich den Garten in den 1770er-Jahren für die Öffentlichkeit, sehr zum Missfallen des damaligen Hochadels. Damit wurde gleichzeitig der Grundstein für heute gelegt", sagt
Mang. Das berühmteste Fotomotiv des Gartens ist in jeder Hinsicht das Parterre, das weitläufige Areal vor dem Schloss bis zum Neptunbrunnen. Die Gärtner nennen diese
Beete inklusive des Rasens Kompartimentflächen – insgesamt gibt es acht davon. Doch wer denkt, dass die Formengestaltung der
Beete sowie die Bepflanzung willkürlich bestimmt wird, der irrt. Nur wenige wissen, dass die Gestaltungsrichtlinien von einst auch heute noch gepflegt werden. "Der Gartenraum besteht aus insgesamt sechs Schichten, die über zweihundert Jahre lang gewachsen sind. Ähnlich wie in der Baudenkmalpflege akzeptieren wir in der Gartendenkmalpflege die jeweiligen Entwicklungsschichten und arbeiten damit. Für die
Beete orientieren wir uns dabei an dem letzten Konzept, welches vom renommierten Gartengestalter Anton Umlauft stammt." Im 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts entwickelte er gemeinsam mit
Heinrich Schott landschaftliche und formale Umgestaltungen. "Es war auch immer eine Frage des jeweiligen Herrschers, wie das Gelände bespielt wurde. Einige haben sich selbst eingebracht, andere wiederum haben Professionisten eingestellt", erklärt
Mang. Zwölf unterschiedliche Sommerblumen (in Summe 300.000 Stück) sorgen jährlich in den
Beeten für Pflanzenvielfalt, jede davon wird in der hauseigenen Produktion in
Schönbrunn kultiviert. Einmal pro Woche rücken weitere Arbeitstruppen aus, um den Rasen zu mähen, wobei die größte Bedrohung für den nahezu unkrautfreien grünen Teppich unvorhersehbare Naturgewalten sind. "Auf Regen und Trockenperioden können wir sehr gut reagieren, schwierig wird es bei Stürmen und Hagel", erklärt Landschaftsarchitektin
Brigitte Mang. Was man heute sieht, ist das Ergebnis jahrhundertealter botanischer Gartenkunst. Um bei
Wolfgang und den Linden zu bleiben: die bogenförmige Rundung erhielt sie im Zeitalter des Barock und heute noch sind die Bögen zehn Meter hoch.
Zu tun gibt es eigentlich immer etwas, denn allein das Areal Boskette/Ebene Wiental im Hauptgarten umfasst etwa 11.500 Bäume. "Alle acht Jahre müssen wir einen Kronenschnitt durchführen, eine Arbeit, die von November bis März gemacht wird. Im Prinzip fängt, wenn wir mit einer Arbeit fertig sind, nahezu jeder Pflegeschritt von vorne an. Im Idealfall können wir einmal im Jahr alles durchschneiden", erklärt
Wolfgang Schelberger. Der Spalierschnitt hingegen wird regelmäßig – je nach Wuchs – auch bei Hecken gemacht. Das einheitliche Erscheinungsbild der gesamten
Parkanlage wird durch sogenannte Leitpflanzen bestimmt. In den Alleen etwa kommen im Wesentlichen Linden vor, einige wenige bestehen aus Kastanien, bei den Hecken hingegen setzt man auf Hainbuchen. Baumkontrolleure der Stadt inspizieren zurzeit die Gehölze, erfassen jedes einzeln und notieren die wichtigsten Eckdaten für das Baumkataster. Zudem stellen sie auch fest, falls ein Baum befallen ist. Doch das größte Problem stellen nicht die Schädlinge dar, sondern die elf Millionen Besucher, die jährlich durch die Allen schlendern. Die Flächen sind einer massiven Übernutzung ausgesetzt, aber vor allem kämpft man gegen Vandalismus an. Mangelnder Respekt gegenüber der botanischen Kunst und der Gartendenkmalpflege ist auf lange Sicht wohl der größte Feind des
Weltkulturerbes. Dem Einsatz der siebzig Mitarbeiter ist es hingegen zu verdanken, dass der Garten 365 Tage im Jahr in seiner vollen Pracht erstrahlt. Auch sie verdienen Respekt für ihren Dienst an der Öffentlichkeit.
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