Die Balance zwischen Wildnis und Korrektur

Die Balance zwischen Wildnis und Korrektur
Sie wollen keine Problemstoffe vor der Haustür haben und schätzen die natürliche Vielfalt: Biogarten-Experten erklären, wie man mit der Natur arbeitet, statt gegen sie.

Ein Biogarten ist ein Stück Land, das wir der Natur zurückgeben und das wir trotzdem hegen und pflegen – so die Definition von Biogärtner Karl Ploberger.

Doch warum entscheiden sich immer mehr Menschen für einen Bio- oder Naturgarten? „Die Gründe sind vielfältig: Die einen wollen keine Problemstoffe vor der eigenen Haustür haben, die anderen haben einfach Freude an der natürlichen Vielfalt“, weiß Werner Gamerith. Er hat gemeinsam mit seiner Frau vor 50 Jahren einen alten Bauernhof gekauft und den Südhang vor dem Haus Schritt für Schritt in einen Naturgarten umgewandelt. Wie er seinen Biogarten für Gemüse und Beeren, den Naturgarten mit Zier- und Wildblumen und den Naturschwimmteich pflegt, verrät er in seinem neuen Buch „Mein Naturgarten“.

Die Balance zwischen Wildnis und Korrektur
Ein Garten istfür Gamerith immer eine Balance von spontaner Wildnis und dem gestalterischen Eingreifen des Menschen. „Dieser Punkt liegt eben im Naturgarten etwas näher an der Seite der Natur. Wir geben den Vorschlägen der Natur Raum. Wir erkennen diese Vorschläge und überlegen dann, ob sie für uns passen oder absolut unvereinbar sind mit den eigenen Ansprüchen“, erklärt er seine Philosophie. Auch die Agrarwissenschaftlerin und Autorin Andrea Heistinger hat bereits einige Gartenbücher veröffentlicht. Gemeinsam mit anderen Experten gibt sie ihr Wissen im 600-Seiten-Wälzer „Das große Biogarten-Buch“ weiter. „Das Wichtigste ist, den Boden gesund zu halten, denn Pflanze und Boden gehören zusammen“, betont Heistinger. „Es ist wie beim Menschen: Die Ernährung beeinflusst das Wohlbefinden. Wenn man sich nur von Junkfood ernährt, darf man sich nicht über zu hohen Blutdruck wundern.“

Ein Biogarten-Basic ist für die Expertin der Verzicht auf chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel, Unkrautvernichter und Mineraldünger. „Diese Mittel haben immer Nebenwirkungen. Wir sehen das aktuell zum Beispiel am Bienensterben, das unter anderem von Neonicotinoiden ausgelöst wird. Am besten verwendet man nur Mittel, die im Biolandbau zugelassen sind oder die man selbst herstellen kann.“

Die Balance zwischen Wildnis und Korrektur
Um die Fruchtbarkeit des Bodens zu verbessern, braucht man keine künstlichen Wundermittel. Mulchen heißt das Zauberwort. „Halten Sie den Boden bedeckt, damit er nicht austrocknet und belebt bleibt“, rät Heistinger. Unter Sträuchern ist Rindenmulch ideal, fürs Gemüsebeet sollte man lieber Grasschnitt oder Heu verwenden, hin und wieder darf es auch Stroh sein. Ein gemulchter Boden bleibt feucht und locker – das erspart dem Gärtner Arbeit, weil er deutlich weniger bewässern braucht und er das Beet nicht jedes Jahr umstechen muss. Regenwürmer fühlen sich in der naturbelassenen Erde wohl, sie lockern den Boden nicht nur, sie düngen ihn auch.
Die Balance zwischen Wildnis und Korrektur
Apropos Arbeit:Ein Naturgarten ist weniger Aufwand als die herkömmliche Variante. „Ich warne aber vor der blauäugigen Idee, dass er überhaupt keine Arbeit macht. Man hat schon etwas zu tun, aber eben weniger“, betont Gamerith. „Auch im Naturgarten muss man jäten. Wir vermeiden das Wort Unkraut, aber bei manchen Arten muss man aufpassen, dass sie sich nicht zu stark vermehren, vor allem im Beet.“ Unkräuter, die sich extrem ausbreiten, sind zum Beispiel Giersch, Klettenlabkraut, Quecke, Vielsamiger Gänsefuß oder Windenknöterich. Dass jedoch die Einteilung in Gut und Böse im Biogarten nicht funktioniert, zeigt zum Beispiel der Giersch, auch Geißfuß oder Dreiblatt genannt: Aus dem Wildkraut kann man Salat oder Gemüse zubereiten, Geruch und Geschmack erinnern an Spinat und ein wenig an Petersilie.

Ein naturnaher Rasen darf neben Gras auch Gänseblümchen oder Löwenzahn enthalten, an schattigen Stellen kann sich ruhig auch Moos breitmachen. „Blühende Vielfältigkeit ist ein Kennzeichen des Biogartens. Nicht nur, weil blühende Pflanzen schön aussehen, sondern weil sie Insekten anlocken, die wiederum die Schädlinge im Zaum halten“, erklärt Heistinger. Florfliegen und Marienkäfer etwa ernähren sich von Blattläusen und gehören zu den bekanntesten Nützlingen.

„Artenreichtum ist die natürlichste und kostengünstigste Alternative zum chemischen Pflanzenschutz“, betont auch Gamerith. Manche Insekten sind auf bestimmte Pflanzen spezialisiert. Schmetterlinge wie das Tagpfauenauge oder der Admiral brauchen als Raupen zum Beispiel Brennnesseln, um sich weiterzuentwickeln. Zumindest auf einem kleinen Stück Wiese sollte man daher alle Pflanzen wachsen und ausblühen lassen. Gemäht werden diese Stellen nur zwei Mal im Jahr. „So eine Wiese verändert sich mit der Zeit. Man wird am Anfang viel Löwenzahn haben – das ist meist ein Zeichen für zu viel Dünger. Doch dann wird die Fläche magerer und die Vegetation vielfältiger. Artenreich ist eine Wiese nur dann, wenn der Boden nährstoffarm ist“, sagt Heistinger.

Auch Obstbäume und Beerensträucher dürfen im Naturgarten nicht fehlen. Sie liefern nicht nur den Bewohnern gesunde Vitamine, sondern bieten auch verschiedenen Tieren Lebensraum. So sind etwa die Beeren der Eberesche für viele Vögel eine wichtige Nahrungsquelle, Hagebutten stehen bis in den Winter hinein auf deren Speiseplan. Im Naturgarten sollte man auf heimische Arten setzen und neben Apfelbaum und Himbeerstrauch zum Beispiel Holunder oder Eberesche, Hasel oder Weißdorn pflanzen.

Auf Form- und Rückschnitt wird so weit wie möglich verzichtet. Bei der Gartenplanung muss man daher auf die natürliche Wuchshöhe achten. Man kann sich eine Menge Arbeit mit Heckenschneiden und Zurückstutzen ersparen, wenn man Straucharten wählt, die nicht größer werden, als man sie braucht. „Wenn wir im Freiland unsere Wildsträucher aufmerksam beobachten, wissen wir bald, dass zum Beispiel die Heckenkirsche etwa zwei Meter oder der Wollige Schneeball drei Meter Höhe erreichen und wir bekommen ein Gefühl für die natürlichen Standortverhältnisse“, sagt Gamerith.

Geld und Geduld braucht man für einen schönen Garten – egal ab Bio oder nicht. „Viele Bauherren vergessen den Freiraum. Am Ende steht das Haus, aber für die Gartengestaltung fehlt das Geld. Ein durchschnittlicher Garten mit Boden, Rasen, Blumen, Hecken und Bäumen kann so viel kosten wie ein Kleinwagen“, gibt Heistinger zu bedenken.

Nachdem Bagger und Planierraupe über das Grundstück gefahren sind, ist der Boden extrem verdichtet. Man kann zwar das Erdreich auch mit Geräten auflockern, Heistinger rät jedoch zu Gelassenheit: „Bauen Sie einfach zwei Jahre eine Gründüngung an.“ Mischungen aus Phazelia, Inkarnatklee, Buchweizen, Beinwell und Luzerne blühen wie eine bunte Blumenwiese. Die Wurzeln dieser Pflanzen gehen tief in den Boden und lockern ihn auf, außerdem bindet sie den Stickstoff. Und während die Pflanzen den Boden optimal vorbereiten, kann man in aller Ruhe die Gartengestaltung planen.

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