Das Kleinod im Schilf

Zweigeschoßiges Bootshaus mit Dachterrasse und Sprungturm am Millstätter See in Kärnten.
An den Ufern heimischer Gewässer tummelt sich zunehmend moderne Architektur. IMMO hat drei unterschiedliche Beispiele – vom Wörthersee bis zum Attersee – aufgespürt.

Wie ein Fels ragt das Bootshaus aus dem Millstätter See. Der im Wasser befindliche Teil ist in Lärche gekleidet, der Körper an Land ist in den Hang eingeschoben und in Kupfer gehüllt. "Alternde Materialien waren uns wichtig", beschreibt Sebastian Haselsteiner einen der Entwurfsgedanken. Der Architekt vom Büro MHM architects kombinierte deshalb Holz und Metall: "Lärche wird Grau und das unbehandelte Kupfer wird Grün."

Das Kleinod im Schilf
Werknutzungsbewilligung für MHM ZT GmbH A - 1080 Wien
Doch nicht allein die Fassadengestaltung zeichnet den Entwurf aus. Gemäß dem Wunsch des Bauherrn, sollte das Bootshaus auch Platz für einen Spa-Bereich bieten. So sind neben Stellplätzen für ein Ruder-, ein Segel-, und ein Motorboot eine Sauna und ein Dampfbad im Untergeschoß und ein Trainingsraum, ein Solarium und eine Teeküche im Obergeschoß untergebracht. Die Terrasse auf dem Dach bietet Ruhe trotz prominenter Lage und Einsichtigkeit der Liegenschaft. Ein Beet mit Schilf auf dem Dach nimmt die Uferlinie auf und schafft zusätzlich Privatsphäre.
Das Kleinod im Schilf
Ausschlaggebend für die Positionierung des Gebäudes war die steile Hanglage des Grundstücks. Eine darauf befindliche Jahrhundertwende-Villa wurde renoviert während ein Bootshaus aus den 1960er-Jahren nicht erhaltenswert war. Trotzdem engte es den Gestaltungsspielraum ein, denn die Größe des Neubaus war an das alte Bootshaus gebunden. Das verhinderte unter anderem einen Steg rund um das Haus – führte aber zu einer außergewöhnlichen Idee: "Die Frage war: Wie können wir einen Steg machen, obwohl er nicht genehmigt ist", sagt Haselsteiner.

Dazu entwickelten die Planer eine Fassade aus faltbaren Toren, die sich per Knopfdruck öffnen lassen. Im Untergeschoß gehen die Läden an der Nordseite nach oben und geben die Einfahrt für die Boote frei. An der Westseite klappen sie nach unten und bilden den gewünschten Steg. Im Obergeschoß falten sich die Elemente ebenfalls nach unten und bilden einen Sprungturm in den See. Zudem verleihen die Tore dem geometrischen Körper ein anderes Erscheinungsbild: Die strenge Form weicht in nur drei Minuten einem offenen Zustand.

Das Kleinod im Schilf
Die Gegebenheiten des Grundstücks forderten auch Maria Planegger vom Büro project.a01 heraus. Das schmale Hanggrundstück am Wörthersee gab die Form der Gebäude vor. Das Haupthaus ruht auf einem Natursteinsockel und ist einem Motorboot nachempfunden.

Nach hinten ist es über ein Dach mit einem Nebengebäude verbunden, in dem eine Einliegerwohnung und eine Garage untergebracht sind. Zudem gibt es ein Badehaus, in dem sich das Familienleben im Sommer abspielt. Es beherbergt einen Aufenthaltsraum, eine Küche, Dusche und eine Umkleide. Dank rahmenloser Fenster lässt sich das Haus komplett übers Eck öffnen. Verkleidet ist das Familiendomizil mit weißen Glasfaserbetonplatten, die speziell für dieses Projekt geformt wurden. Für Offenheit sorgen Glasflächen, die sich elektrisch öffnen lassen.

Das Kleinod im Schilf
Große Dachüberstände wirken der Überhitzung entgegen, wobei die Unterseite der Vorsprünge mit Holz verkleidet ist, das sich in das Innere des Hauses hineinzieht. "Das betont den Schiffscharakter und macht die Räume wohnlich. Dadurch verschmelzen innen und außen", erklärt Maria Planegger, die auch mit der Innengestaltung beauftragt war. In den Sanitärbereichen setzte sie hellen Naturstein ein, in den übrigen Räumen dominieren die Wasserfarben Türkis und Blau. Stühle, Garderobe und Kästen wurden etwa mit selbst designten Stoffen bedruckt und bezogen. "In Kombination mit dem Eichenboden entsteht dadurch ein sehr wohnlicher Charakter", sagt Planegger.
Das Kleinod im Schilf
auftraggeber luger&maul oeg architekten 4600 wels
Konfrontiert mit vielen Auflagen waren Luger & Maul Architekten in Unterach am Attersee. Eine ursprüngliche Zimmererwerkstätte sollte zum Badehaus umgebaut werden – ein kleines Projekt, aber keine leichte Aufgabe: "Die Form der alten Werkstatt musste beibehalten werden, ebenso die Materialien", sagt Franz Maul. Um dem Holzbau ein zeitgemäßes Erscheinungsbild zu verleihen, wurden die Traufe und der Dachüberstand komplett reduziert. "Der Neubau ist streng geschnitten. Unser Ansatz war, ein archaisches Gebäude zu zeigen", sagt Franz Maul.Der offene, zweigeschoßige Innenraum bietet Platz für ein Wohn-Esszimmer und einen Schlafbereich auf einer Galerie. Die Nebenräume wie WC, Bad und Küche sind in einer Flachdach-Spange integriert, die das Haus an der Straßenseite umgibt und zugleich als Lärmpuffer dient.
Das Kleinod im Schilf
Die Seeseite wird dominiert von Glas. Ziel war es, den Blick auf das Wasser und das Höllengebirge uneingeschränkt erleben zu können. Die Aussicht sollte durch keine Unterteilung gestört werden. Dazu konzipierten die Planer eine fünf Meter hohe Hebeschiebetüranlage mit einem Flügelgewicht von über 500 Kilo: "Ausführungstechnisch war das die größte Herausforderung. Die Scheibe musste mit dem Kran versetzt werden. Auch gab es keine Beschläge dafür, weshalb sie auf zwei Laufwerke aufgeteilt wurde", sagt Maul.Die Scheibe ist allerdings hinter einer Fassade aus senkrechten Latten in vorvergrauter Lärche versteckt. Maul: "An der Seeseite gibt es zwei Klappen, die sich nach Links und Rechts öffnen lassen. Sie geben den Blick auf den See und die umliegenden Berge frei."

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