Mit Luft bauen

Mit Luft bauen
Beton und einen Ballon: Mehr benötigt Benjamin Kromoser nicht, um eine Kuppel zu konstruieren. Da dies ziemlich revolutionär ist, wurde der Bauingenieur nun mit dem "Fehrer-Preis" ausgezeichnet.

Sechzehn Jahre dauerte es, bis der Rohbau der außergewöhnlichen Kuppel des Florenzer Doms finalisiert wurde. Benjamin Kromoser entwirft zwar keine Kirchen, dafür sind seine Wölbungen in ein paar Stunden fertig. "Wir wollten eine Methode finden, um Schalen einfach und schnell zu bauen und dadurch wirtschaftlich zu machen", erklärt der 28-jährige Bauingenieur. Während große Kuppelbauten aus Beton oder Stein normalerweise ein aufwendiges Gerüst aus Holz benötigen und deshalb kaum mehr errichtet werden, schreitet Kromoser mit einem Luftkissen zur Tat. Dieses platziert er unter einer Betonplatte und bläst es auf, bis die Kuppel – dank keilförmiger Aussparungen – ihre Form findet. In kurzer Zeit ist so die Errichtung von Veranstaltungspavillons, Konzertkuppeln oder Brücken möglich. Für 2017/2018 ist bereits mit den ÖBB eine Wildüberführung über die Koralmbahn geplant, damit die Tiere von einer Seite auf die andere wandern können. "Ich bin ein begeisterter Brückenbauer und Naturliebhaber. Für mich ist das eine wunderbare Sache."

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Schritt für Schritt möchte Kromoser die Möglichkeiten ausweiten, Limit sieht er keines: "Vielleicht schaffen wir eines Tages auch ein Stadion." Vergangene Woche wurde er für sein Dissertationsprojekt (Betreuung: Johann Kollegger) an der Technischen Universität Wien mit dem "Dr.-Ernst-Fehrer-Preis" ausgezeichnet. Dieser wird seit 1982 für besondere technische Forschungsleistungen mit praktischer Anwendbarkeit an junge Wissenschaftler der TU Wien vergeben und ist mit 8000 Euro dotiert. "Es ist etwas ganz Besonderes, in den Kreis der Preisträger aufgenommen zu werden", meint Kromoser.

Nach ersten Vorversuchen wurde im Juni 2014 auf den Wiener Aspanggründen ein 2,90 Meter hohes Kuppelgebäude errichtet. Dabei wurde auch mit einer untypischen Form experimentiert, um die architektonische Vielseitigkeit der künftigen Bauwerke darzulegen – sie sollen vor keiner kreativen Gestaltung gefeit sein. "Man kennt die theoretischen Berechnungen, aber in der Praxis ist es wieder etwas anderes. Umso schöner, dass es funktioniert hat", sagt der gebürtige Amstettner.

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Nach dem Abschluss einer HTL für Holztechnik in Hallstatt kam Kromoser nach Wien, um Bauingenieurswesen zu studieren. Sein Interesse an Holz sollte bald der Faszination für Beton weichen. Besonders für Schalen eigne sich der Baustoff wunderbar. "Wir haben uns von Nussschalen oder Schneckenhäusern inspirieren lassen. Schalen sind sehr wirtschaftliche Tragewerke, die das Material gut ausnutzen und günstig für Bauwerke sind." Der Schwerpunkt der Anwendung liegt auf langlebigen Betonkuppeln, es sind aber auch temporäre Pavillons denkbar, die schnell ab- und an anderer Stelle wieder aufgebaut werden können.

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Ein Vorbild für seine Konstruktionen hat Kromoser keines, bewundert aber das Einkaufszentrum Il Diamante in Chiasso (Schweiz). Die 2011 von Aurelio Muttoni entworfene Einkaufszentrum setzt mit einer zehn bis zwölf Zentimeter schlanken, trägerlosen Betonschale in gigantischem Ausmaß neue Maßstäbe. "Ein beeindruckendes Bauwerk, das spannend aussieht und zugleich sehr wirtschaftlich ist." Möglicherweise ein Ansporn für den nächsten Entwurf. Es muss ja nicht immer gleich eine Kathedrale sein.www.tuwien.ac.at

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