Bauen in den Tropen

Bauen in den Tropen
Die Kultur eines Landes lässt sich in der Architektur ablesen. Die Witterung ist ebenfalls ein wichtiges Gestaltungskriterium. Ein umfangreicher Bildband zeigt nun, wie anspruchsvolle Entwürfe in der heißesten Klimazone der Erde aussehen können.

Tropische Baukunst ist weder ein oft benutzter Begriff oder gar ein existierender Stil. Es ist viel mehr eine Wortkomposition, die die Macht besitzt, unzählige Bilder im Kopfkino zu aktivieren. Jeder versteht darunter etwas anderes. Für die einen sind das Feriendomizile an kilometerlangen Sandstränden mit türkisblauem Meer. Andere wiederum assoziieren damit Gebäude, die in saftig grünen Urwaldlandschaften stehen. Eine Komponente haben diese beiden Wunschvorstellungen jedoch gemeinsam – die Sonne.

Bauen in den Tropen
Neben Temperaturen im höheren zweistelligen Bereich fordern auch klimatische und landschaftliche Bedingungen neue und außergewöhnliche Herangehensweisen in der Architektur. Im Idealfall soll die Baukunst als Bindeglied Strand, Meer und Stadt vereinen. Die Autoren Michelle Galindo, Robert Klanten und Sven Ehmann haben ihr neues Buch „Living under the sun“ dieser speziellen stilistischen Richtung gewidmet. Auf über 300 Seiten zeigen sie Villen, Einfamilienhäuser, Künstlerateliers, Strandhütten und Zweitwohnsitze, die alle eine Wohnadresse in den Tropen haben.

Die Schauplätze sind rund um den Globus verteilt.

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Gezeigt werden spannende Gebäude und Inneneinrichtungen in Brasilien, Kolumbien, Thailand oder auch Australien. Länder dessen Architektur man gerade in den letzten Jahren große Aufmerksamkeit geschenkt hat. Erstmals widmet sich ein Buch umfassend unterschiedlichen Entwürfen und ihren Gestaltern. Zudem wird auch das Potenzial in der Baukunst unter Beweis gestellt. Ein Beispiel ist etwa die „Tepoztlán Lounge“ (großes Bild oben), die vom Büro Cadaval & Sola-Morales gestaltet wurde. Tepoztlán ist eine kleine Stadt zwischen felsigen Klippen im Süden von Mexiko-Stadt. Der Ort hat einen gut erhaltenen historischen Stadtkern und ist bei vielen Einheimischen als Wochenendausflugsziel beliebt.
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Das ebenerdige Gebäude ist Teil einer Gästehausanlage, welche von einer unglaublichen Naturlandschaft umrahmt wird. Die Tepoztlán Lounge ist eines der größeren Objekte, der Bungalow-Anlage. Die einzelnen Häuser haben unterschiedliche Grundflächen und können tage- oder monatsweise angemietet werden. Der Grundriss des Hauses bildet die Form eines Ypsilons. Der Betonkörper besteht aus drei Innencontainern, in denen ein Bad, ein Kinderspielplatz und ein Wohnzimmer untergebracht sind. Die Räume wurden in den jeweiligen Enden des Ypsilons positioniert und mit großflächigen Fensterfronten raumhoch verglast. Dadurch entstand in der Mitte ein zentraler Raum, der komplett offen ist. Die Grundidee dabei war, hier einen Aufenthaltsort im Freien zu gestalten. Die räumlichen Strukturen wurden auf ein Minimum reduziert.
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Der Gedanke, dass man gerade bei hohen Temperaturen die meiste Zeit ohnedies im Freien verbringt, soll damit unterstützt werden. Die Baukünstler wollen mit dem Konzept die Kontinuität zwischen den getrennten Bereichen und der Natur veranschaulichen und für die Gäste erlebbar machen.

Brasilianische Architektur genießt international einen ausgezeichneten Ruf.

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Bekannt für die klare Formensprache und die reduzierten Linien ist aber gerade der gezielte Einsatz von rohen Materialien eines der wohl wichtigsten Merkmale. Vor allem Beton und Holz stehen dabei im Vordergrund. Baukünstlerin Gisele Taranto hat bei dem "Tropical Loft" in Rio de Janeiro alle Register des nationalen Architektur-ABCs gezogen. Für die brasilianische Messe Casa Cor Rio 2014 hat sie ein 238 Quadratmeter großes Loft entwickelt. Der Wohnraum wurde in zwei Bereiche unterteilt: öffentlich und privat. Als Raumteiler fungiert ein in der Mitte positioniertes zentrales Schrankelement. Auf der einen Seite befindet sich die Küche, auf der anderen dient es als Wand für das Schlafzimmer. Das Bad ist in den Raum integriert, die Toiletten ebenfalls – mithilfe eines bodenlangen Vorhanges lässt sich dieser Bereich jedoch verstecken.
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In der vietnamesischen Ho Chi Minh City entwickelte das Büro MM++Architects – Mimya das "Tropical Suburb House", welches im Vergleich zu seiner vorwiegend neo-viktorianischen Umgebung einen spannenden Kontrast bildet. Das Haus befindet sich in einem Vorort und das angehobene offene Erdgeschoß orientiert sich an der Typologie lokaler Stelzenhäuser. Dies soll vor allem bei Unwettern dafür sorgen, dass der untere Bereich nicht geflutet wird. Im Untergeschoß sind Küche und Esszimmer untergebracht, der Raum ist an drei Seiten geöffnet, das erzeugt einen fließenden Übergang zwischen dem Außen- und dem Innenbereich. Für den Bau haben die Architekten recycelbare Doppelziegel entwickelt. Das Betondach wurde mit geschichteten Palmblättern zusätzlich verlegt, ebenfalls ein Zitat an die umliegende Baukunst.

Der Bildband zeigt anhand von zahlreichen Beispielen, die stilvollen und erfrischenden Zugänge der Architekten. Und für den Leser wird die Letktüre zur Traumanleitung für das eigene Paradies.

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"Living under the sun" widmet sich Häusern, die an den schönsten Sonnenplätzen der Welt errichtet wurden. Von Michelle Galindo, Robert Klanten, Sven Ehmann und Sofia Borges. Gestalten Verlag € 45,30

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