Zwangsentschleunigung durch Corona: "Wir haben zu schnell gelebt"
Karlheinz Geißler sagt Sätze wie: „Die Chefhektiker werden ihre Probleme haben.“ „Langsam zu sein, wurde bestraft.“ Oder: „Die Herrschaft des Terminkalenders bröckelt.“
Lange Universitätsprofessor für Wirtschaftspädagogik, beschäftigt sich der deutsche Forscher seit vielen Jahren intensiv mit allen Aspekten der Zeit, betreibt in München ein Institut für Zeitberatung und ortet schon länger tief greifende Veränderungen.
In seinem aktuellen Buch Die Uhr kann gehen (Verlag Hirzel, 19,80 Euro) prophezeite er im Vorjahr das Ende von Pünktlichkeit und Uhr-Diktat. Die aktuellen Ereignisse rund um das Coronavirus und die damit verbundene Zwangsentschleunigung scheinen ihm recht zu geben. Ein Gespräch über Faulheit, Let-it-be-Listen und eine bessere Gesellschaft.
KURIER: Die meisten Menschen haben derzeit noch weniger Probleme mit dem Kranksein als vielmehr mit den Begleiterscheinungen. Zu viel Zeit spielt da bei manchen eine Rolle. Warum macht vielen die Zwangsentschleunigung Probleme?
Zeitforscher Geißler: Weil wir zu schnell gelebt haben. Wir haben die langsamen Lebensformen – das Warten, das Pausemachen, das Langsamsein – verlernt und verlernen müssen. Langsam zu sein, wurde bestraft. Wer mit seiner Schulaufgabe bis zum Ende der Stunde nicht fertig ist, bekommt schlechte Noten. Darum trifft die Zwangsentschleunigung jene besonders, die Zeitdruck für das Normale gehalten haben.
Und ihre Wichtigkeit daraus bezogen haben?
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