Ein Gehege muss den Spagat zwischen Gefängnis und Bühne schaffen. Wie gelingt das?
Ein Tiergehege stellt immer eine Art von Gefängnis dar, da es eine Grenze, eine Abtrennung benötigt, um Schutz zu bieten. Lassen Sie mich die Frage auf eine andere Weise beantworten. Stellen Sie sich ein Bankgebäude oder eine Botschaft vor, bei denen es darum geht, zu repräsentieren und gleichzeitig sicherzustellen, dass diejenigen, die darin leben oder arbeiten, geschützt sind. Ähnlich verhält es sich im Zoo: Wir schützen nicht nur die Besucher vor den wilden Tieren, sondern wir schützen auch die Tiere selbst. Im Theater wiederum ist die Inszenierung selbstverständlich, während sie im Zoo oft etwas Fremdes darstellt.
Doch ich möchte noch eine weitere Baugattung hinzufügen: das Museum. Heutzutage geht es nicht nur darum, Tiere zu präsentieren, sondern auch Wissen zu vermitteln. Dies kann besonders gut durch lebende Tiere geschehen. Wie schon Goethe sagte: „Man sieht nur, was man weiß“ – daher spielt die räumliche Inszenierung eine große Rolle. Auf diese Weise können wir den Besucher auch mit einer Handlungsanweisung nach Hause schicken, die beispielsweise ein größeres Bewusstsein für die Natur, mehr Verantwortung für die Tierwelt und nachhaltiges Handeln beinhaltet.
Wer steht bei der Zooarchitektur im Vordergrund? Der Besucher, das Tier, die Pfleger?
Wer heute einen zeitgemäßen Zoo baut, muss alle Akteure im Blick haben. Ein wichtiger Akteur, der in den vergangenen Jahrzehnten kaum sichtbar war, ist der Tierpfleger, der tagtäglich dazu beiträgt, dass das Tier in seinem Gehege angemessen untergebracht ist, erst das gelungene Zusammenspiel von Tierpfleger und Tierhalter ermöglicht es der dritten Gruppe überhaupt, dem Betrachter ein Tiererlebnis zu vermitteln.
Welche Tierarten fordern die Zoo-Architektur am meisten? Was sind die schlimmsten Bausünden in einem Zoo?
Ja, Bausünden kann man aus verschiedenen Blickwinkeln betrachten. Die vordergründigste ist sicherlich die ästhetische Bausünde, aber ich denke in erster Linie an bautechnische Sünden. Wenn ich mir als Zoo vorstelle, in Mitteleuropa eine Tropenhalle zu bauen, dann muss ich mir klarmachen, dass ich auf engstem Raum mitten in der Stadt zwei völlig unterschiedliche Klimazonen habe: Ich habe die künstliche Tropenwelt, die keinen jahreszeitlichen Temperaturschwankungen unterliegt. Aber ich habe ein Klima in Europa, das sehr wohl großen Schwankungen unterworfen ist und das, wie wir gerade auch durch den Klimawandel erleben, sehr extreme Wetterlagen hat. Da sehe ich die größte Herausforderung für das Bauen im Zoo und manchmal frage ich mich, ob vielleicht die eine oder andere Tropenhalle weniger und dafür mehr Fokus auf die heimische Tierwelt angemessen wäre. Warum dieser ewige Drang nach Exotik?
Zoos befinden sich oft mitten in der Großstadt. Wo liegen die Grenzen der Zooarchitektur? Am Platz, Geld, Denkmalschutz? An mangelndem Wissen über die Bedürfnisse der Tiere?
Wir sollten uns alle die Frage stellen, welchen Zoo wir heute wirklich möchten. Vor 200 Jahren ging es darum, exotische Tiere aus fernen Ländern zu bestaunen und sie dem Publikum zu präsentieren. Doch heute ist das nicht mehr notwendig. Ich kann mir im Internet oder im Fernsehen Tierfilme anschauen, die auf eine Art und Weise präsentiert werden, wie es in einem Zoo niemals möglich wäre. Wenn wir heutzutage einen Zoo mitten in einer Großstadt betreiben, haben wir andere Aufgaben zu erfüllen.
Welche?
Unsere Hauptaufgabe besteht darin, der städtischen Bevölkerung zu vermitteln, wie wichtig es ist, die Vielfalt unserer Umwelt zu erhalten. Wir müssen eng mit Schulen und Universitäten zusammenarbeiten. Zudem müssen wir im Rahmen der Erwachsenenbildung dafür sorgen, dass der Zoo als integraler Bestandteil des lebenslangen Lernens verstanden wird. Nur so hat ein Zoo mitten in einer stark besiedelten Stadt seine Daseinsberechtigung.
Lassen Sie mich abschließend einen weiteren Aspekt ansprechen: Warum benötigen wir einen Safaripark weit außerhalb der Stadt, zu dem die Menschen mit dem Auto fahren müssen? Dadurch werden große Parkplatzflächen geschaffen, die den Boden versiegeln. Außerdem suggeriert eine afrikanische Serengeti mitten in Europa eine Form von Natur, die es in dieser Art nicht gibt. Meiner Meinung nach vermittelt dies ein völlig falsches Bild von unserer Natur.
Gibt es aktuell einen Zoo, den Sie als vorbildlich bezeichnen würden?
In den letzten Jahren habe ich den Pariser Zoo als beispiellos empfunden. Es hat mich fasziniert zu sehen, wie im 21. Jahrhundert ein neuer Zoo geschaffen wurde, der eine einzigartige Verbindung zwischen lebenden Tieren und einem Naturkundemuseum eingeht. Doch auch der Zoo und Tierpark Berlin haben sich zu einer herausragenden Einrichtung entwickelt. In einem nahezu jährlichen Rhythmus entstehen dort qualitativ hochwertige neue Gebäude und bestehende Strukturen werden saniert – auch wenn der Denkmalschutz dabei ein wenig gelitten hat.
Worum geht es also heute?
Als Zoo ist es meine Verantwortung, sicherzustellen, dass die Tiere im Mittelpunkt stehen. Gleichzeitig möchte ich jedoch einen Ort schaffen, der den Besucherinnen und Besuchern ein unvergessliches Erlebnis bietet. Dies gelingt nicht durch Kinderspielplätze oder den Verkauf von Süßigkeiten, sondern durch anspruchsvolles Bauen – ich spreche hier von Architektur. Es geht nicht darum, irgendwelche Gebäude von bekannten Firmen zu errichten, die einfach nur passen. Vielmehr ist es von großer Bedeutung, dass die Baukultur im Zoo ebenso ernst genommen wird. Das Institut für Architektur steht für die Verantwortung, die wir der Natur und den kommenden Generationen gegenüber haben.
Sind Zoos heute noch zeitgemäß? Wie schaut der Zoo der Zukunft aus? Wird er das Zuhause für lebende Tiere bleiben?
Zoos werden eine weltweit wichtige Institution für Forschungseinrichtungen bleiben. Ja, und auch die Zukunft des Zoos wird eine Mischung aus Gefängnis, Theater und Museum bleiben. Aber zoologische Gärten werden mehr und mehr zu einem Ort, an dem wir uns mit einem relativ neuen Thema auseinandersetzen wollen: Tierrechte. Wer gibt uns das Recht, eine Spezies, deren DNA zu 97 Prozent mit der des Menschen übereinstimmt, ein Leben lang gefangen zu halten, wer gibt uns als Lebewesen Homo sapiens das Recht, Tiere überhaupt gefangen zu halten? Die Aufgabe ist also größer denn je.
Kommentare