Seit 30 Jahren interessiert Leitz sich für die ägyptischen Spätzeit-Tempel, „weil dort viel mehr Inschriften zu finden sind als in den älteren“, erzählt er im Gespräch mit dem KURIER. „Philae ganz im Süden; dann Kom Ombo; Edfu, der größte; schließlich Esna, Dendera und Athribis, die sechs großen erhaltenen Tempeln“, zählt er auf. „Und Esna hat die kniffligsten Inschriften, die eigentlich gut untersucht sind“. Eigentlich. Der geniale französische Ägyptologe Serge Sauneron habe sie unter schwierigsten Bedingungen in den 1960er-Jahren erforscht. „Allerdings konnte Sauneron seine Arbeit nicht abschließen, weil er mit kaum 50 bei einem Autounfall starb“, erzählt Leitz. Vieles blieb ihm verborgen.
Wie sie es anstellten
An dieser Stelle erklärt der deutsche Ägyptologe, wie die alten Ägypter vorgingen, wenn sie Inschriften anbrachten: „Zuerst wird eine Vorzeichnung gemacht, dann kommen die Graveure mit dem Meisel und zum Schluss werden die Hieroglyphen bemalt.“ Im Bereich der astronomischen Decke seien viele Inschriften nicht als Relief ausgeführt worden, sondern nur in Tinte – eher beiläufig – aufgemalt worden.
Nachdem das alte Ägypten aufgehört hatte zu existieren und der Kult verschwunden war, gab es eine Nachnutzung des Tempels. Er war regelrecht mit der Stadt verwachsen: Häuser und Hütten wurden direkt an die Mauern gebaut, an anderen Stellen ragte er aus einem Schuttberg. Das riesige Gebäude selbst ließ sich gut in Parzellen einteilen, man konnte offenes Feuer darin machen, Werkstätten einrichten. „Was weiß ich, was den Leuten in 1.500 Jahren alles eingefallen ist“, resümiert der Ägyptologe.
„Jedenfalls waren die astronomischen Darstellungen vom Dreck vernebelt. Sauneron konnte also nur die grob gemeißelten Reliefs dokumentieren, denen machte der Ruß nichts, aber die farbigen Details waren weg.“
Das heißt, auch, dass bisher oft nur unvollständige Versionen der Inschriften erforscht wurden. „Erst jetzt bekommen wir ein umfassendes Bild.“ Weil, siehe oben, 15 Leute seit zwei Jahren unter der Leitung eines ägyptischen Chefrestaurators werkeln. So stellte sich etwa heraus, dass das bizarre Sternbild einer Schlange, die an ihren Enden jeweils zwei Köpfe von Menschen und von Gänsen trägt, von den alten Ägyptern „Gänse des Re“ genannt wurde.
„Ich kann ihnen aber nicht sagen, welche realen Sterne die ,Gänse des Re’ waren“ sagt Leitz. So viel ist bekannt: Mit Griechen und Römern kamen die heute bekannten zwölf Tierkreiszeichen aus Mesopotamien an den Nil. Doch von zahlreichen anderen – ägyptischen – Sternbildern kennt man kaum die Namen. Konstellation, religiöse Vorstellungen und Kulte, die mit ihnen verbunden waren, sind sowieso unbekannt. Also: Viel Forschungsbedarf.
Die Säuberung von fünf Deckensegmenten steht noch an. Bleibt zu hoffen, dass das schneller geht als das Herstellen der aufwendigen Dekorationen vor knapp 2.000 Jahren – das dauerte vermutlich bis zu 200 Jahre.
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