Wer bei den Orcas das Babysitting übernimmt

Forschungen belegen, dass Orcas mit Großmüttern länger leben. Letztere helfen auch bei der Betreuung der Jungtiere.

Bis zu 100 Jahre können Orca-Weibchen alt werden. Bereits in ihren Dreißigern bzw. Vierzigern verlieren die Meeressäuger jedoch die Fähigkeit sich fortzupflanzen. Neben dem gemeinsamen Jagen in der Familiengruppe kümmern sich Orca-Omas vor allem um ihre Kinder und Enkel, wie Studien bereits in der Vergangenheit gezeigt haben. Die lange Altersperiode sei vermutlich einzigartig in der Tierwelt, vom Menschen abgesehen, schrieben britische Forscher schon 2012 im US-Fachjournal Science.

Es wurde stets vermutet, dass weibliche Schwertwale, wie Orcas auch genannt werden, mit diesem Verhalten der sogenannten Großmutter-Hypothese (auch Oma-Effekt) entsprechen. Die Theorie aus der biologischen Anthropologie versucht zu erklären, warum sich im Laufe der Evolution bei Frauen die Menopause entwickelt hat. Und weshalb Frauen nach der altersbedingten Unfruchtbarkeit noch ein hohes Lebensalter erreichen können, während dies bei den meisten anderen weiblichen Säugetieren – etwa bei Menschenaffen – nicht der Fall ist.

Oma-Effekt

Bei Walen wurde die Theorie bisher nur in Ansätzen untersucht. Neueste Forschungen der University of York liefern nun Belege dafür, dass der Oma-Effekt bei Orcas tatsächlich zum Tragen kommt. "Das ist das erste nicht-menschliche Beispiel für den Großmutter-Effekt in den Wechseljahren", sagte Studienautor Daniel Franks von der University of York dem Guardian über die Erkenntnisse. "Er konnte auch bei Elefanten nachgewiesen werden, aber die können sich bis zum Ende ihres Lebens fortpflanzen." Derzeit seien nur fünf Arten von Säugetieren bekannte, die in die Wechseljahre kommen: Neben Schwertwalen sei dies auch bei Kurzflossen-Grindwalen, Narwalen und Weißwalen der Fall.

Für die Studie, die nun im Fachblatt Proceedings der National Academy of Sciences erschienen ist, untersuchten Franks und seine Kollegen Lebensdaten von zwei Killerwalgruppen, die vor den Küsten des US-Bundesstaates Washington sowie des kanadischen Bundesstaates British Columbia leben.

Die einzelnen Tiere wurden unter anderem durch ihre einzigartigen Flossenformen und das Vorhandensein von Kerben und Kratzern identifiziert und durch die ausgeprägte Pigmentierung um ihre Genitalien sowie die Größe ihren Flossen einem Geschlecht zugeordnet. Ihre Beziehungen zueinander wurden durch Beobachtungen abgeleitet; Muttertiere wurden durch ihre Interaktion mit den Jungtieren ausgemacht.

Das Team, dem auch Wissenschaftler der University of Exeter, des US-amerikanischen Zentrums für Walforschung und der kanadischen Pacific Biological Station angehörten, konzentrierte sich insgesamt auf knapp 380 Tiere, von denen bekannt war, dass sie eine lebende Großmutter haben.

Nahrung und Babysitting

Die Wissenschafter stellten fest, dass Orca-Weibchen, deren Großmutter in den letzten zwei Jahren verstorben war, in den zwei Jahren nach deren Tod eine 4,5-fach höhere Sterblichkeitsrate aufwiesen – im Vergleich zu Orca-Weibchen, deren Großmutter noch am Leben war.

In von Fischknappheit gekennzeichneten Jahren verstärkte sich dieser Effekt. "Wir haben bereits in früheren Studien gezeigt, dass Orca-Weibchen nach der Fortpflanzung die Gruppe auf Nahrungssuche führen und dass das in Zeiten, in denen die Lachse knapp sind, besonders wichtig ist", erklärte Franks. "Es ist auch bekannt, dass sie Nahrung direkt mit jüngeren Verwandten teilen. Wir vermuten auch Babysitting", fügte er hinzu.

Zwar stellten die Forscher fest, dass ein Großmutter-Effekt bei Orcas vorliegt, dies allein könne jedoch nicht erklären, warum Orca-Weibchen im mittleren Lebensalter ihre Fortpflanzungsfähigkeit verlieren. Elefanten-Großmütter helfen etwa ebenfalls bei der Versorgung der Enkel, während sie weiterhin fruchtbar sind.

Denkbar sei, dass die lebenslange Fortpflanzungsfähigkeit Generationskonflikte zwischen Müttern und ihren Töchtern im Wettbewerb um Männer befeuern und daher bei Menschen und Walen eingestellt worden sei.

Die Forscher der University of York möchten das innerfamiliäre Wal-Verhalten nun genauer untersuchen, indem sie Drohnen einsetzen.

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