Warum manche Tiere früher auf Erdbeben reagieren als Menschen

Warum manche Tiere früher auf Erdbeben reagieren als Menschen
Manche Tiere haben besondere Fähigkeiten, dank derer sie Erdbeben früher erkennen. Sie zeigen sich in ungewöhnlichem Verhalten.

Sie scheinen eine Art siebten Sinn zu haben: Manche Tiere spüren seismologische Veränderungen im Erdinneren - sprich: Erdbeben - früher als Menschen. Sie zeigen dabei ungewöhnliche Verhaltensweisen. Diese Fähigkeiten auch für Menschen nutzbar zu machen, ist allerdings offen.

Auch nach dem jüngsten dramatischen Erdbeben in der Türkei gab es Hinweise, dass Tiere schon früh auf die drohende Katastrophe reagierten. Im Internet berichteten viele Menschen von aufgeregten oder jaulenden Hunden oder über Vögel, die davonfliegen. Wissenschaftlich sind diese Reaktionen zwar nicht punktgenau einzuordnen, allerdings gibt es auch wissenschaftliche Belege für die feinen Sinne mancher Tiere. Dafür könnten einige Schnabelwale stehen, die eineinhalb Wochen nach dem Erdbeben an der zypriotischen Küste tot angespült wurden.

Druckschwankungen

Der Walschutzexperte Fabian Ritter hält es in Spektrum für durchaus plausibel, dass Erdbeben auf Wale einen großen Einfluss haben können. Die Schnabelwale zählen zu den tief tauchenden Walarten. Im Fall eines Erdbebens während eines Tauchgangs sind sie von den auftretenden Druckschwankungen und den lauten Geräuschen direkt betroffen. Das könne zu einem Druckabfall und einem zu raschen Auftauchen führen, was wiederum tödlich enden könne.

Erdkröten

Sogar das Fortpflanzungsverhalten von manchen Rassen kann Hinweise liefern, zumindest im Fall von Erdkröten in den Abruzzen. 2009 wollten britische Forscher dieses eigentlich untersuchen. Da die Tiere mitten in der Paarungssaison ihre üblichen Laichgewässer verließen, wurden die Forscher aufmerksam. Denn normalerweise bringt die Erdkröten während der Paarungssaison wirklich nichts aus der Ruhe - und der Paarung. Nur wenige Tage später erschütterte ein starkes Erdbeben die Region, das Epizentrum lag nur 74 Meter entfernt in der Stadt L'Aquilea, die zerstört wurde.

Warum manche Tiere im Gegensatz zu anderen stärker reagieren, liegt für Forscher in der unterschiedlichen Sensibilität der Arten für Erdbebenwellen. Manche Arten hätten ein feineres Gespür für sogenannte Primärwellen (P-Wellen), die von den meisten Menschen kaum wahrgenommen werden. Den Tieren verschaffe diese Fähigkeit immerhin einen Zeitvorsprung.

Ratten und Schlangen

Für großes Aufsehen sorgten 1975 die Ereignisse vor einem Erdbeben in Haicheng. Dort wurde beobachtet, dass Ratten und Schlangen in großer Zahl ihre unterirdischen Winterquartiere verließen. Die Behörden ordneten daraufhin eine Evakuierung der Stadt an. Gerade noch rechtzeitig, denn einen Tag später erschütterte ein Erdbeben der Stärke 7,2 die Region und zerstörte die Stadt fast völlig.

Bauernhofforschung

Dass es Sinn macht, mehrere Populationen eines Ortes in die Analysen einzubeziehen, wird seit 2016 in den Abruzzen erforscht. Ein Wissenschafterteam reist jedes Jahr zur gleichen Jahreszeit auf einen bestimmten Bauernhof und versorgt die Tiere dort mit Halsbändern, die ihre Bewegungen minutiös aufzeichnen. Da die Region immer wieder von kleineren Erdbeben erschüttert wird, erhalten die Forscher ausreichend Material.

"Im Vorfeld der Beben sehen wir tatsächlich bestimmte Verhaltensmuster", sagt Martin Wikelski von der Forschungsgruppe. Hunde würden besonders sensibel reagieren, werden hektisch. Kühe bleiben hingegen vorerst ruhiger, lassen sich dann aber von den Hunden anstecken und trappeln mehr herum als sonst. Da sich die Mitglieder einer Tiergruppe auch gegenseitig beeinflussten, sei es also aufschlussreich, ein ganzes Kollektiv zu beobachten, so das Fazit der Forscher.

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