Warum der Vergleich der Impfgegner mit 1938 absurd ist

Warum der Vergleich der Impfgegner mit 1938 absurd ist
Zuletzt haben Impfgegner ihr Schicksal mit jenem von Juden verglichen. Der KURIER hat im Vorfeld der heutigen Demos Historiker um ihre Einschätzung gebeten.

Historiker finden drastische Worte: "ein eklatanter Missbrauch von Symbolen" (© Heidemarie Uhl) – "eine Verhöhnung der Opfer des nationalsozialistischen Verfolgung" (© Herwig Czech) – "eine Feindbildgenerierung, die durch absolut nichts mehr zu rechtfertigen ist. Im Grunde ist es eine absurde Realitätsverweigerung, eine Missachtung der Geschehnisse bis 1945" (© Hannes Leidinger).

Zuletzt haben sich Impfgegner den Judenstern mit der Aufschrift "ungeimpft" angeheftet. Plakate mit dem Wortlaut "So begann es 1938" oder "Schallenberg = Mengele" wurden hochgehalten.  Der KURIER hat im Vorfeld der Demonstrationen bei drei Historikern nachgefragt. Tenor: Die Vergleiche seien absurd. Warum lesen Sie hier:

Herwig Czech, Medizinhistoriker an der Meduni Wien:

Warum der Vergleich der Impfgegner mit 1938 absurd ist

"Impfgegner inszenieren sich als die neuen Juden. Der Vergleich verbietet sich von vorneherein für jeden, der einen Funken von Wissen über 1938 und die folgenden Jahre der NS-Zeit hat. Es ist zynisch, eine Verharmlosung und eine Versuch, sich als Opfer zu inszenieren. Mit untauglichen historischen Parallelen: Der Holocaust ist ein politisch aufgeladenes Feld und wird für die eigene Agenda missbraucht, indem man sich den Judenstern anheftet. Dieser musste getragen werden, sobald man das eigene Haus verließ und diente dazu Juden zu kennzeichnen. Es war ein Instrument, um diskriminierende Verbote durchzusetzen und leichter kontrollieren zu können. Diese Diskriminierung hat innerhalb kürzester Zeit in einen Massenmord gemündet."

Der Grundfehler ist der, dass "Ungeimpft" keine Fremdzuschreibung ist. Jeder der nicht geimpft ist, hat sich dafür entscheiden!

von Herwig Czech

Medizinhistoriker

"Die Zuordnung zum Judentum dagegen war eine Konstruktion des Nationalsozialismus – eine, die durch die einzelne Person nicht veränderbar war. Der Vergleicht hinkt also nicht nur – er hat überhaupt keine Beine. Es ist eine Verhöhnung der Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung."

Die "verfolgende Unschuld"

"Den Versuch, sich in die Rolle einer verfolgten Gruppe zu spielen, hat schon Karl Kraus thematisiert. Er nannte das die "verfolgende Unschuld". Man fantasiert sich in die Position einer verfolgten Minderheit. Es zielt darauf ab, den Aufruf, sich doch bitte impfen zu lassen, als eine Form der Ausgrenzung zu inszenieren. Und das von Gruppen, die sich das Recht vorbehalten, das Virus weiter zu verbreiten.“


Heidemarie Uhl, Historikerin an der Österreichischen Akademie der Wissenschaft:

Warum der Vergleich der Impfgegner mit 1938 absurd ist

"Es handelt sich um einen eklatanten Missbrauch von Symbolen, die überhaupt nichts mit Widerstand zu tun haben."

Der Judenstern war kein Symbol des Widerstandes, sondern ein Symbol der Demütigung und der Vorbereitung auf die Deportationen.

von Heidemarie Uhl

Historikerin

"Es ist also absolut unangemessen denjenigen gegenüber, die den Judenstern tragen m u s s t e n.  Viele wurden dabei erwischt, als sie versuchten, ihn abzulegen und wurden deportiert und sind umgekommen. Es war ein aufgezwungenes Symbol der Demütigung und des Terrors. Und das jetzt als Widerstandsymbol zu verwenden, ist eine Verhöhnung der Opfer. Es ist ein Missbrauch des Widerstandsbegriffs. Gegen einen Terrorstaat. Die Grenzen der Moral und des Anstands sind da überschritten, ob auch die des Strafrechts, wird sich entscheiden."

Hannes Leidinger, Historiker am Ludwig Boltzmann Institut für Kriegsfolgenforschung:

Warum der Vergleich der Impfgegner mit 1938 absurd ist

"Ich bin überzeugt, dass Menschen die solche Vergleich machen, schlicht nicht bekannt ist, was in der Judenverfolgung des Nationalsozialismus passiert ist, oder was ein Herr Mengele in Auschwitz gemacht hat! Sollte es ihnen aber bekannt sein, ist das rechtlich problematisch. Wenn Minister Mückstein oder Ex-Kanzler Schallenberg auf Demonstrationen mit Mengele verglichen werden, ist das meines Erachtens, lupenreine üble Nachrede. Es ist unerhört! Mengele war eine Rassist und Sadist. Er hat die Rassenhygiene voll mitgetragen. Er hat Menschen in Auschwitz als ,seine Meerschweinchen bezeichnet, an denen er Versuche unternimmt' – Operationen ohne Narkose, tödliche Spritzen. Er war persönlich an der Selektion beteiligt. Das ist ein Massenmörder."

Diesen Mann mit Menschen zu vergleichen, die sich um Lebensrettung bemühen, in der Risikoabschätzung richtige Entscheidungen treffen und mit Skeptikern - so lange es möglich ist - das Gespräch suchen, ist ungeheuerlich.

von Hannes Leidinger

Historiker

"Die Leute sollten sich schämen, schweigen und sich informieren.

Noch einmal: Damals handelte es sich um Genozid, meine Herrschaften! Mit euch wird gesprochen, an eurer Seite stehen Menschen, die eurer Leben retten wollen und darüber nachdenken, wie man sinnvoll andere Menschen schützen kann. Der Vergleich ist absurd!"

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