Wanzen: Welche Arten nützlich und welche Schädlinge sind

Grüne Reiswanzen, potenziell schädlich, sehen Grünen Stinkwanzen zum Verwechseln ähnlich.
Wanzen sind viel mehr als grüne Stinker. Da gibt es die farbprächtigen Feuerwanzen, die sich familiär um die Wurzeln von Linden scharen. Da halten sich Eichen-Schmuckwanzen Gold schillernd an Blattläusen schadlos. Da nützen zarte Überflieger in Schwarz die Oberflächenspannung, um als Wasserläufer Beute zu machen.
Wanzen sind äußerst erfolgreich. Sie besiedeln nahezu alle Lebensräume und das seit mindestens 298 Millionen Jahren. Weltweit sind rund 40.000 Arten bekannt.
Nun liegt auch für Österreich eine aktualisierte Übersicht über die angestammten und zugezogenen Spezies vor. Das Umweltbundesamt hat aus 135.000 Datensätzen heuer erstmals eine "Rote Liste der gefährdeten Wanzen" für das gesamte Bundesgebiet erstellt.

Mit den Trockenwiesen nehmen auch die Bestände der bis zu 11,5 mm großen Harlekinwanzen ab.
Artenvielfalt nimmt zu und ab
„Unsere Liste umfasst 924 Arten, von denen 226 Arten in unterschiedlichem Ausmaß bedroht sind“, sagt Co-Autor Thomas Frieß. Der Biologe kennt das Kommen und Gehen der Sechsfüßer. Jährlich tauchen ein bis drei Arten zwischen Boden- und Neusiedler See auf.
Einige waren immer schon da, wurden aber bisher nicht entdeckt. Andere wandern zu – als blinde Passagiere oder aus eigener Kraft. Der Klimawandel ermöglicht den anpassungsfähigen Insekten, sich in der Weite und in die Höhe auszubreiten. 21 nicht-heimische Arten sind in der Liste erfasst.
Verlust an Lebensraum reduziert Bestände
„Der andere Trend ist ein massiver Rückgang durch die Zerstörung von Lebensraum“, spricht Frieß von einer „Dynamik in der Wanzenfauna“. Die Umwidmung von Heuwiesen in Äcker, der Einsatz von Pestiziden in der Landwirtschaft, aber auch die Trockenlegung von Mooren, die Verbauung von Flüssen und Ufern sowie die Versieglung von Boden tragen dazu bei, dass vor allem Spezialisten verschwinden. Die Rote Liste weist 22 verschollene Arten auf, 49 sind derzeit vom Aussterben bedroht, 177 (stark) gefährdet.
Die meisten Wanzen sind Vegetarier, einige sind Fleischfresser, wenige ernähren sich von Blut.
„Wir haben viele Anfragen zu Wanzen“, sagt Young-Bin Kim, Chef-Kammerjäger von Allessauber. Nicht immer zahlt sich ein Einsatz aus; nur Bettwanzen sind ein Fall für den Profi. „Wir bekämpfen sie mit Chemikalien, zusätzlich mit Trockendampf, Hitze oder Kaltvernebler“, sagt Kim. Mindestens zwei Behandlungen sind nötig, seriöse Firmen verlangen dafür ab 1.000 Euro netto.
„Vorsorge ist wichtig“, betont Kim. Er befürchtet für diesen Sommer Schlimmes. Reisende werden von den Olympischen Spielen die Plage im Koffer in die Welt tragen – Paris hat ein massives Bettwanzen-Problem.
Parasiten als Arzthelfer
„Wir nützen die Parasiten mitunter als Helfer“, sagt Katharina Reitl. Die Tierärztin aus der Ordination Tiergarten Schönbrunn setzt steril gezüchtete Wanzen im Großformat bei Zoobewohnern ein, die sich sonst nur schwer Blut abnehmen lassen. Giraffe, Nashorn, Faultier u.a. profitierten bereits.
„Man muss das Herz haben, die prallen Wanzen anzustechen“, sagt der Zoodoc: „Doch so haben die Tiere nicht nur einen Nutzen im Ökosystem, sondern auch in der Medizin.“
„60 Prozent der Wanzenarten geht es hierzulande gut“, sagt der Experte für Tierökologie und Naturraumplanung. Die Gebüsch-Bewohner, die Futtergeneralisten und die ausdauernden Flieger sind klar im Vorteil. Prinzipiell lässt das Vorkommen der kleinen Rüsseltiere Rückschlüsse auf den Zustand der biologischen Vielfalt, des Bodens und des Mikroklimas zu. Als Bioindikatoren können sie Informationen für Schutzmaßnahmen liefern.
„Unter den heimischen Wanzen gibt es kaum Schädlinge“, beruhigt Frieß. Im Gegenteil: Manch Räuber hält mit seinen Futtervorlieben das Ökosystem im Gleichgewicht. Blumenwanzen etwa dezimieren als Larven – sie lassen wie alle Wanzen das Puppenstadium aus – Borkenkäfer, indem sie die Eier des Baumschädlings aussaugen. Adulte Blindwanzen wiederum vertilgen Unmengen an Spinnmilben oder Blattläusen.
Unter den Bioinvasoren gibt es potenzielle Schädlinge
Vor allem aber unter den Bioinvasoren gibt es auch Vertreter, die Landwirte, Forstwirte oder Gärtner nicht gerne sehen. „Die Amerikanische Eichennetzwanze hat sich seit 2019 in Österreich massenhaft entwickelt. Sie fliegt zu Millionen in der Luft und setzt Eichen zu“, weiß Frieß. Die Amerikanische Kiefernrandwanze, die sich seit 15 Jahren mit jährlich einer Generationen fortpflanzt, vermindert das Gedeihen von Kiefern.

Die Schwarzrückige Gemüsewanze schädigt durch ihr Saugen v.a. Kohlpflanzen. Sie wird ca. zwei Jahre alt.
Im Obst- und Gemüseanbau können Marmorierte Baumwanzen aus Ostasien Flecken und Wachstumsstörungen verursachen. Die Grüne Reiswanze, die eines Tages wirtschaftlichen Schaden anrichten könnte, hat derzeit in ihrer neuen Heimat noch keine natürlichen Feinde. Die Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit AGES hat eine Meldeplattform eingerichtet.
Wanzen gefährden die Gesundheit von Menschen nicht
Apropos Gesundheit: Keine der 924 erfassten Wanzenarten hierzulande ist für den Menschen gefährlich. Experten wie Thomas Frieß sehen daher neben dem Fixplatz in der Nahrungskette eines: Hübsche Tierchen.
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