Wann und wieso Erwachsene zu Milchtrinkern wurden

Wann und wieso Erwachsene zu Milchtrinkern wurden
Evolutionärer Vorteil: Menschen, die Laktose spalten konnten, bekamen mehr Kinder als solche ohne die entsprechende Genvariante.

Auch wenn uns das die Werbung suggeriert: Milch war nicht immer für Erwachsene gemacht. Es wurde von der Natur ursprünglich als Babynahrung erfunden. Erbgutanalysen zeigen nun: Noch in der Bronzezeit bereitete das eiweißhaltige Getränk den meisten Menschen in Mitteleuropa Bauchschmerzen. Das zeigen Ergebnisse eines internationalen Forschungsteams mit Beteiligung der Universität Freiburg.

Die Forschenden untersuchten das Erbgut in Knochen von Menschen, die etwa vor 3.300 Jahren an der Schlacht an der Tollense im Nordosten Deutschlands gefallen waren. Sie berichteten am Donnerstag im Fachmagazin Current Biology, dass unter den Kriegern nur etwa jeder achte eine bestimmte Genversion besaß, die es ihm ermöglichte, den Milchzucker Laktose zu spalten.

120 Generationen bis zur Anpassung

„Von der heutigen Bevölkerung desselben Gebiets verfügen 90 Prozent über dieses Merkmal“, sagte der Erstautor der Studie Joachim Burger von der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Dieser Unterschied sei enorm, da nicht mehr als 120 Menschengenerationen dazwischenliegen würden. In der Schweiz vertragen heute rund 80 Prozent der Bevölkerung Milch.

„Die einzige Möglichkeit, den Unterschied zwischen Bronzezeit und heute zu erklären, ist starke darwinische Selektion“, sagte der Biologe Daniel Wegmann von der Universität Freiburg. So bekamen Menschen, die Laktose spalten konnten, durchschnittlich sechs Prozent mehr Kinder als solche ohne die entsprechende Genvariante.

Bessere Überlesenschancen

Restlos klären ließ sich jedoch nicht, wieso erwachsene Milchtrinker einen evolutionären Vorteil hatten. Jedoch könnte Milch als energiereiche, unkontaminierte Flüssigkeit in Zeiten von Nahrungsmangel oder verseuchtem Trinkwasser höhere Überlebenschancen geboten haben, vermuten die Forschenden.

Das Forschungsteam analysierte ebenfalls das Erbgut in bronzezeitlichen Knochen aus Ost- und Südosteuropa. Auch dort fanden sie selten Hinweise auf Milchverträglichkeit.

In den untersuchten Knochen von Individuen aus den osteuropäischen Steppen fehlt das Merkmal sogar völlig. „Das hat uns sehr erstaunt“, sagte Vivian Link von der Uni Neuenburg. Denn frühere Studien hätten dort den Ursprung der Milchverträglichkeit bei Erwachsenen vermutet.

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