KURIER: Ob der Klimawandel sich auf die Migration auswirkt, ist sehr umstritten. Warum?
Hoffmann: Weil es selbst von Seiten der Forschung viele Unsicherheiten gibt, wie sich das alles künftig verändern wird. Und auch, weil Klimaveränderungen mitunter zu einer Verringerung der Migration führen können, wird das Thema kontrovers diskutiert. Wir konnten zum Beispiel zeigen, dass Menschen oft gar nicht mehr die Möglichkeit haben, zu flüchten. Daher ist so eine Metastudie auch so wichtig.
Metastudie?
Ja, wir haben 30 Studien analysiert und die Essenz herausgeholt. Sie decken die ganze Welt ab. Und ja, ein großer Teil der Studien zeigt einen Zusammenhang zwischen Klimawandel und Migration. Aber es gibt keinen Automatismus. Nicht jede Umweltveränderung, die stattfindet, gibt Migrationstendenzen einen direkten Impuls. Und nicht jede Klimaveränderung mündet in Flüchtlingswellen. Es hängt stark vom Kontext ab. Migration ist ein multikausaler Prozess.
Sie schreiben: Ob Menschen aufgrund von Dürren, Stürmen oder Flutkatastrophen flüchten, hängt auch vom Wohlstandsniveau eines Landes sowie sozio-politischen Faktoren ab. Heißt was?
Wenn wenig Wohlstand vorhanden ist, fehlen oft die Ressourcen, die für Migration, insbesondere über Ländergrenzen hinweg, notwendig sind.
Manche Menschen sind also zu arm, um zu flüchten?
Richtig. Das ist eine der Erkenntnisse. Wohlstand spielt eine Rolle, und unsere Daten deuten darauf hin, dass wir weniger Migration sehen, wenn Menschen sehr, sehr arm sind, aber auch dann, wenn sie wohlhabend sind. In Ländern im mittleren Einkommensbereich erkennt man am ehesten Zusammenhänge zwischen Migration und Klima.
Eine Untersuchung britischer Forscher ergab dieser Tage, dass im Jahr 2050 der Lebensraum von mehr als einer Milliarde Menschen auf der Welt bedroht sein könnte. 31 Staaten wurden von den Wissenschaftern als nicht widerstandsfähig genug eingestuft, um die ökologischen und politischen Veränderungen der kommenden Jahrzehnte zu schultern. Was ist von derartigen Prognosen zu halten?
Wir hatten schon die ganze Woche weltweit kontroverse Diskussionen darüber. Was die Anzahl der Menschen betrifft, die sich auf den Weg machen werden – da wäre ich sehr, sehr vorsichtig. Der ganze Ansatz der Studie ist falsch und geht von falschen Zahlen aus. Die Größenordnung dürfte bei mehreren hundert Millionen liegen, besagen einige Untersuchungen. Wichtiger als alles auf eine Zahl herunterzubrechen, ist es aber, die Situation zu verhindern, die Klimaflucht auslöst. Und politische Fragen zu diskutieren. Es gilt, den Betroffenen durch geeignete politische Maßnahmen zu helfen, auch durch bessere Rahmenbedingungen für Migranten. Der beste Weg, um Menschen vor den Auswirkungen des Klimawandels zu schützen, ist diesen heute zu verhindern.
In Ihrer Studie widmen Sie sich auch den Rückkehrern. Welche Rolle spielen die?
Oft handelt es sich bei Umweltmigration um Flucht innerhalb von Ländergrenzen. Wie nach dem Hurrikan Katrina 2005. Umweltmigration ist in der Regel interne oder regionale Migration auf kurze Distanz. Auch ist sie häufig nur temporär, wobei die Menschen nach einiger Zeit in ihre Heimat zurückkehren. Es ist davon auszugehen, dass Menschen weiterhin hauptsächlich innerhalb von Ländergrenzen oder Regionen migrieren werden. Denken Sie nur an Bangladesch, das erst unlängst wieder zu einem Drittel unter Wasser stand. Da ist Migration eigentlich bereits eine Überlebensstrategie. Oft ist das ein Hin und Her, Flüchten und Zurückkehren.
Es gibt also sehr unterschiedliche Formen von Migration. Und dieser Alarmismus in Europa, dass man ständig Angst haben muss, ist unangebracht: Die Zusammenhänge sind zwar da, aber nicht so stark ausgeprägt.
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