Und zum Nachtisch? Sex!

Und zum Nachtisch? Sex!
Männliche Fruchtfliegen schalten nach dem Fressen auf Balzverhalten um. Und das liegt an einem jetzt entdeckten Darm-Molekül.

Jing Wang war nicht schlecht erstaunt: „Dass ein einzelnes Molekül einen so tief greifenden Einfluss auf Verhaltensentscheidungen haben kann“, sinniert der Professor für Neurobiologie an der Universität von Kalifornien in San Diego.

Wang ist Erstautor einer Studie, die sich mit der Kommunikation zwischen Darm und Gehirn beschäftigt und soeben im Wissenschaftsmagazin Nature veröffentlicht wurde. Ihre Kernbotschaft: In Fruchtfliegen werkt ein Molekül, das nach einer Mahlzeit aus dem Darm freigesetzt wird und den Fokus der Insekten von der Nahrungsaufnahme auf die Paarung lenkt.

Der Zusammenhang zwischen Essen und Paarung ist nicht nur beim Menschen zu beobachten, sondern findet sich bei allen Tierarten. Direkte physiologische Zusammenhänge zwischen Nahrungsaufnahme und Fortpflanzungsverhalten wurden jedoch bis vor Kurzem nicht vermutet. Diese Erkenntnisse öffnen nun die Tür zu dem weitgehend unerforschten Bereich der Kommunikation zwischen Darm und Gehirn über das Fressverhalten hinaus, sagen die Forscher.

Genetik, Drei-Photonen-Mikroskopie und Fluoreszenzbildgebung standen Pate beim Bemühen der Wissenschafter, die Frage zu klären, wie Tiere von einem auf Fütterung ausgerichteten Verhalten zur Paarung wechseln. Jetzt wissen sie: Männliche Fruchtfliegen schalten nach dem Verzehr von proteinreicher Nahrung schnell vom Fressen auf das Balzverhalten um, weil Aminosäuren die Freisetzung eines chemischen Botenstoffes (des Neuropeptids Dh31, für alle, die es genau wissen wollten) im Darm auslösen, was wiederum Neuronen im Gehirn aktiviert, um die Nahrungsaufnahme zu beenden und die Balz durch zwei parallele Schaltkreise einzuleiten.

Noch mehr Experimente

In der Folge führten die Forscher weitere genetische Experimente durch: Wird Dh31 in Fruchtfliegen ausgeschaltet, futterten die Fliegen weiter und pfiffen auf die Paarung. Wird Dh31 dagegen angeschaltet, gingen die Fliegen schnell zum Balzverhalten über. Statt im Gehirn, dem erwarteten Ort für die Freisetzung des Moleküls, fanden die Genetiker heraus, dass Dh31 seinen Ursprung im Darm der Fliege hat.

„Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass Dh31 ein Signalmolekül ist, das die Priorität dieser beiden konkurrierenden Verhaltensweisen neu ordnet: Fressen vor Balz in Abwesenheit von Dh31 und Balz vor Fressen, wenn Dh31 aus dem Darm freigesetzt wird“, fasst Wang zusammen.

Diese Untersuchungen geben Aufschluss über die Entscheidungsprozesse, wenn Tiere von einem Verhalten, das das Überleben fördert – wie eben Fressen – zu einem anderen grundlegenden Verhalten wie der Balz wechseln. Laut Wang kratzen ihre Ergebnisse nur an der Oberfläche des Verständnisses, wie Darmhormone über die Nahrungsaufnahme hinaus funktionieren. Künftige Arbeiten sollen untersuchen, wie das Mikrobiom die Kommunikation zwischen Darm und Gehirn beeinflusst.

Übrigens: Wer nun meint, dass es von der Fliege bis zum Menschen ein weiter Weg sei: grundsätzlich richtig. Allerdings beschreiben die US-Forscher in ihrer Nature-Studie auch Parallelen des Signalmolekül Dh31 zu Orexin, einem Neuropeptidmolekül, das bei Säugetieren nachweislich eine ähnliche Rolle spielt.

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