So bewies Thor Heyerdahl, dass Menschen schon früh den Pazifik überquerten

So bewies Thor Heyerdahl, dass Menschen schon früh den Pazifik überquerten
Vor 75 Jahren wagte ein junger Norweger im Dienste der Wissenschaft einen unmöglichen Segeltörn: Auf einem Steinzeitboot von Peru in die Südsee.

April 1947: Im peruanischen Hafen Callao legen Männer letzte Hand an ein steinzeitlich anmutendes Floß, das statt von Schrauben und Drahtseilen nur von Naturfaser-Tauen zusammen gehalten wird. Tatsächlich wurde die Kon Tiki nach alten Zeichnungen aus Balsaholz gebaut. Am 28. April 1947 wird das Boot auf die offene See geschleppt und setzt Segel. Zuvor hatte der Kapitän, Thor Heyerdahl, eine Erklärung unterzeichnet, die das peruanische Militär von jeglicher Verantwortung für das Vorhaben freispricht.

Das Vorhaben? Der norwegische Zoologe, Geograf und Ethnologe wollte beweisen, dass die Südseeinseln nicht von Asien, sondern von Südamerika aus besiedelt worden waren. Die Fachwelt schüttelte den Kopf.

Kleiner Angsthase

Der große Entdecker war dem kleinen Thor nicht in die Wiege gelegt: 1914 in Larvik/Norwegen geboren, war Heyerdahl ursprünglich ein rechter Angsthase, fürchtete sich vor Dunkelheit und Wasser. Weil ihm die unkonventionelle Mutter, eine Darwin-Anhängerin, vor dem Einschlafen aber statt Märchen die Evolutionsgeschichte erzählte, änderte sich das bald.

Mit seiner frisch angetrauten Liv übersiedelte er in die Wildnis.

So bewies Thor Heyerdahl, dass Menschen schon früh den Pazifik überquerten

Thor mit Liv, seiner ersten Ehefrau

Sie hatte er gleich bei der ersten Begegnung gefragt, ob sie sich mit ihm ein Leben draußen in der Natur vorstellen könne. Livs Antwort: „Mit dir überall." Überall war Fatu Hiva, eine Insel in Polynesien.

Polynesien ließ Heyerdahl nie wieder los: Er vertraute sich also in diesem Frühling 1947 mit seiner Kon Tiki den Meeresströmungen an. Es sei ein „fantastisches, seetaugliches Floß“, schrieb er in sein Logbuch. Und lief nach 4.300 nautischen Meilen (immerhin 6.900 Kilometern) und 101 Tagen auf Grund – genau dort, wo er hin wollte: in Polynesien. Der junge Forscher hatte den Beweis erbracht, dass südamerikanische Indigene die Südseeinseln durchaus erreicht haben könnten. Und versetzte der etablierten Wissenschaft damit eine Ohrfeige.

Weltberühmt

Auch für die Vermarktung seiner Abenteuer hatte er ein gutes Gespür: Sein Kon-Tiki- Buch wurde ein Bestseller und in 70 Sprachen übersetzt, der gleichnamige Film mit zwei Oscars ausgezeichnet.

Wissenschaftliche Anerkennung aber blieb ihm lange verwehrt. „Heyerdahl hat nur bewiesen, dass die Norweger gute Seeleute sind“, kommentierte ein US-Wissenschafter. Und Polynesien-Experte Sir Peter Buck meinte: „Ein nettes Abenteuer, aber sie können niemanden davon überzeugen, dass es sich hier um ein wissenschaftliches Experiment handelt.“

Bis zu seinem Tod reagierte Heyerdahl allergisch, wenn man ihn darauf ansprach: „Mir gefällt es nicht, als Abenteurer bezeichnet zu werden, um den Wert meiner wissenschaftlichen Erkenntnisse zu schmälern. Ich habe nie eine wissenschaftliche Expedition um des Abenteuers willen gemacht, aber ich genieße das Abenteuer, wenn es mir begegnet.“

Seine Expeditionen

Und das war wohl öfter der Fall: Heyerdahl reiste mit einem selbst gebauten, archaischen Papyrus-Boot von Afrika nach Amerika, um zu beweisen, dass schon die alten Ägypter Zentralamerika erreichen konnten. Mit einem sumerischen Schiff aus Schilf kreuzte er im Indischen Ozean zwischen Dschibuti, Karatschi und Bagdad.

So bewies Thor Heyerdahl, dass Menschen schon früh den Pazifik überquerten

Dazwischen hat Heyerdahl Zeit gefunden, drei Mal zu heiraten und fünf Kinder zu zeugen. Immer trieb ihn eines an: „Neugier. Wenn Sie sich eine Frage stellen und keine Antwort darauf haben, ist es immer interessant, herauszufinden, was sich dahinter verbirgt. Das ist menschlich."

Und er hatte doch recht

Die Schreibtischtäter gaben übrigens erst 1961 auf: Auf einem Kongress erklären sie, dass Südamerika und Südostasien die Ursprungsländer der Polynesier gewesen seien. Heute stützen auch DNA-Analysen Heyerdahls Annahme, dass Ureinwohner aus Südamerika schon lange vor der Ankunft der Europäer nach Polynesien gelangten. 2020 wies der mexikanische Genetiker Andrés Moreno-Estrada bei Menschen auf den Osterinseln und Polynesien Erbgut von Indigenen aus Südamerika nach.

Somit hatte Heyerdahl letztlich recht, wenn er meinte: „Seit 5.000 Jahren trennt das Meer Völker nicht, sondern verbindet sie.“

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