So aufwendig wurden zwei Niederösterreicher vor mehr als 3.000 Jahren bestattet

So aufwendig wurden zwei Niederösterreicher vor mehr als 3.000 Jahren bestattet
Einen tieferen Einblick in bronzezeitliche Riten bei Brandbestattungen hat ein internationales Forscherteam anhand von zwei Urnen aus St. Pölten gewonnen.

Was genau vor 3.000 Jahren rund um den Scheiterhaufen im heutigen St. Pölten  geschehen ist, lässt sich heute nicht mehr sagen. Vermutlich versammelten sich die Menschen ein letztes Mal um die beiden Leichen – eine Frau und ein unterernährtes Kind. Sie  legten ihnen reiche Opfergaben zu Füßen – Tiere, Blumen, Getreide.

Warum wir das heute wissen? Die Trauernden haben die Asche in einer Urne aufbewahrt und Archäologen der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) haben genau diese Urne mit modernsten, aufwendigen Verfahren, wie Computertomographie, Archäobotanik, Zooarchäologie, Geochemie und Isotopenanalysen analysiert. Dabei stießen sie neben der DNA der beiden Verstorbenen auf Spuren von Schafen, Wildschwein, Hirsch, Ziege sowie rund 19.000 verkohlte Pflanzenreste, darunter Hirse, Linsen, Emmer, Einkorn und Holunder.

Darüber berichtet jetzt eine im Fachmagazin „PLOS ONE“ veröffentlichte Studie.

Brandbestattungen, eine Herausforderung

Für Archäologen spielen menschliche Überreste immer eine wichtige Rolle, da sie wertvolle Informationen über das Verständnis vergangener Gesellschaften bieten. Brandbestattungen waren da bisher eine echte Herausforderung: „Wissenswertes über die Verstorbenen herauszufinden ist bei Brandbestattungen ungleich schwieriger als bei Körperbestattungen, bei denen man in der Regel auf ganze Skelette zurückgreifen kann“, erklärt Lukas Waltenberger vom Österreichischen Archäologischen Institut (ÖAI) der ÖAW. Detaillierte Informationen wie das  Sterbealter oder Geschlecht? Fehlanzeige!

Besonders in der späten Bronzezeit wurden sterbliche Überreste üblicherweise zunächst auf Scheiterhaufen verbrannt und anschließend in Urnen gesammelt. Diese verbrannten Überreste seien oft sehr klein fragmentiert. Knochenstücke würden nur mehr eine Größe von einem halben bis zwei Zentimetern aufweisen und oft zerbröseln, wenn die Urnen entleert werden.

Neue Methode

Jetzt hat es sich ein Team rund um Waltenberger „zum Ziel gesetzt, alle erdenklichen Methoden und Techniken zu verwenden, um das Maximum an Informationen herauszuholen“, wie der Teamleiter sagt.

Zum Einsatz kamen die Techniken bei zwei spätbronzezeitlichen Urnen (etwa 1430 und 1260 v. Chr.), die 2021 bei Grabungen im Stadtzentrum von St. Pölten entdeckt worden waren.

Zuerst wurden die noch verschlossenen Urnen mittels Computertomographie (CT) gescannt:

So aufwendig wurden zwei Niederösterreicher vor mehr als 3.000 Jahren bestattet

Vergleich der Funde auf den CT-Aufnahmen mit den Funden während der Mikrograbung: Grabbeigaben und diagnostische Knochen wurden mit gleichen Nummern versehen. Links oben: CT Aufnahme Urne 1, Rechts oben: Ausgrabung Urne 1, Links unten: CT Aufnahme Urne 2, Rechts unten: Urne 2 während der Ausgrabung.

Dann wurde Schicht für Schicht ausgegraben, stets in Abstimmung mit der CT, um alle Informationen genauestens dokumentieren zu können. Fragile Knochenstücke wurden mit Kunstharz fixiert, um sie in der Nachbearbeitung besser bestimmen zu können.

So aufwendig wurden zwei Niederösterreicher vor mehr als 3.000 Jahren bestattet

Auch eine 3-D-Rekonstruktion der spätbronzezeitlichen Urne wurde anhand von CT-Aufnahmen angefertigt. Die Urne ist in Grün, andere Farben repräsentieren Knochenfragmente unterschiedlicher Körperareale.

„Wir konnten nicht nur vieles zu den beiden Individuen herausfinden – ein 9- bis 15-jähriges Kind mit Mangelerscheinungen und eine 23 bis 32 Jahre alte Frau – , sondern auch die Bestattungsriten so genau wie möglich rekonstruieren“, sagt Waltenberger. So offenbarten einige der Knochen etwa tierischen Ursprung von Schaf, Wildschwein, Hirsch und Ziege, die als Speisenopfer am Scheiterhaufen mitverbrannt wurden.

Mithilfe der Archäobotanik wurde darüber hinaus eine große Menge an pflanzlichen Nachweisen gefunden. „Etwa 19.000 verkohlte Pflanzenreste konnten unter dem Mikroskop identifiziert werden, darunter Hirse, Linsen, Emmer, Einkorn und Holunder“, sagt Waltenberger. „Auch Drusch-Reste, also die Stängel und Ährchengabeln, die beim Dreschen übrigbleiben, waren in den Urnen. Wir gehen davon aus, dass sie als Anzünder für den Scheiterhaufen verwendet wurden.“

Ehrenvolle Bestattung

Das Gesamtbild zeugt von einem aufwendigen Bestattungsritus, bei dem die angekleideten Verstorbenen gemeinsam mit vielfältigen Grabbeigaben auf dem Scheiterhaufen platziert wurden.

Für die Forschung ist die Entwicklung der neuen Methode ein wichtiger Schritt: „Über die späte Bronzezeit wissen wir vergleichsweise wenig, da sich Brandbestattungen bisher nur eingeschränkt Informationen entnehmen ließen. Mit der neuen Vorgehensweise können wir hier deutlich genauere Interpretationen vornehmen – und damit viel mehr über die damalige Zeit herausfinden“, ist Waltenberger überzeugt.

 

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