Strobl, bereits länger in der Migrationsforschung tätig, sagt: „Die USA und Großbritannien sind gut erforscht. Ganz anders Australien.“ Das sei momentan auch ein Trend in der Forschung – Gebiete abseits der Haupttransitrouten anzuschauen.
Der Historiker machte sich also nach Down Under auf und stellte erfreut fest, dass in Australien Quellen und Archive ganz ausgezeichnet sind. „Sämtliche Einbürgerungsurkunden sind vorhanden.“ Die hat er ausgewertet und herausgefunden, dass 2.609 Menschen aus Österreich bis 1949 eingebürgert wurden. Strobl analysierte diese Gruppe und fokussierte auf ein Prozent: „Ich habe 26 Menschen ausgewählt, die repräsentativ für die österreichischen Migranten sind – Frauen, Kinder, Ältere, unterschiedliche Glaubensrichtungen und Berufe wie Ärzte, Rechtsanwälte, Wirtschaftstreibende“, sagt Strobl. Und weiter: „Der Großteil war jüdisch, zumindest nach den NS-Kriterien. Viele haben sich aber nicht als Juden gesehen und sind erst nach dem Anschluss von den Nazis zu Juden gemacht worden.“
Karl Anton Schwarz ist einer davon. „Er war ein Hobbysportler und im österreichischen Alpenverein eine kleine Nummer“, erzählt Strobl, der mit vielen Bekannten und Verwandten von Schwarz gesprochen hat. „Aber er hat viel mitbekommen – wie der Alpenverein, dessen Strukturen und das Skitourengehen in der Zwischenkriegszeit funktioniert haben.“
Begeistert von den Möglichkeiten des Skifahrens, das damals in Australien nur in exklusiven Kreisen praktiziert wurde, importierte er das Konzept des Österreichischen Alpenvereins. „So wurde er in seiner neuen Heimat einer der großen Pioniere des Skisports – und sehr berühmt. Hierzulande ist er vergessen“, erzählt Strobl.
Dance made in Austria
Gertrud Bodenwieser war ebenfalls eine Pionierin – eine des modernen Ausdruckstanzes. Wie Schwarz flüchtete sie vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs nach Australien. In einem kleinen Studio in Sydney hat die erfolgreiche Choreografin und Tänzerin dann die australische Variante des Modern Dance entwickelt.
Auch Gertrude Langers Tagebuchnotizen erzählen davon, dass sie in der neuen Heimat ein kulturelles Vakuum vorfand: „Es gibt keine Architektur, die dieses Namens würdig wäre, keine professionellen Theater, die Kunstgalerien sind fürchterlich“, schrieb die Kunsthistorikerin, nachdem sie mit ihrem Mann, dem Architekten Karl Langer, im provinziellen Brisbane angekommen war. Über Jahre konnte sie sich schließlich einen Ruf als Kunstexpertin aufbauen, revolutionierte dabei den Kunstsektor in Queensland und wurde schließlich zu einer der Wegbereiterinnen der modernen Kunst in Australien.
Kapital
Einzelschicksale? Ja, aber sie zeigen auch, welchen Beitrag österreichische Zuwanderer zur wirtschaftlichen und kulturellen Entwicklung der australischen Nachkriegsgesellschaft geleistet haben, ist Strobl überzeugt. Das ist es auch, was den Zeithistoriker besonders interessiert hat: „Dieser enorme Wissenstransfer – was diese Gruppe Menschen in ein neues Umfeld gebracht haben“, sagt er. Sein Fazit: „Man sollte Migranten nicht als Belastung betrachten, sondern sich ansehen, was an neuem Wissen und neuen Ideen ankommt.“
Apropos: Charles William Anton arbeitete ein Leben lang daran, „ein Skikarussell à la Kitzbühel“ aufzubauen, er gründete Thredbo, heute Australiens viertgrößtes Skigebiet am Mount Kosciuszko, dem höchsten Berg Australiens. Die „Patscherkofelhütte“ war Antons letztes Projekt. Er starb 1966.
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