Nutrias im Vormarsch: Die Biberratten machen sich breit

In der EU sind die pelzigen Exoten unerwünscht.
Die Nager aus Übersee besiedeln in Europa weniger als die Hälfte der geeigneten Fläche. Das wird sich ändern.

Füttern verboten! So putzig die pelzige Meisterschwimmerin auch sein mag, die Nutria soll es nicht zu einfach haben. Die ursprünglich aus Südamerika stammende Biberratte macht sich auch ohne menschliches Zutun in rasantem Tempo breit – in Österreich, europaweit. Die Erderwärmung wird ihr dabei weiter helfen.

Wissenschaftler der Uni Wien haben Sichtungen mit geografischen und klimatischen Bedingungen in Zusammenhang gebracht. Ihr Resümee: In den nächsten Jahren ist mit einem Vormarsch der Exotin zu rechnen. Die EU hat den Schädling schon 2015 auf die Liste der unerwünschten Gäste gesetzt.

Am Ufer daheim

„Die Nutria teilt sich den Lebensraum mit Biber und Bisamratte. Sie bevorzugt langsam fließende Gewässer, Sümpfe und Feuchtgebiete“, sagt Studienautorin Anna Schertler vom Department für Botanik und Biodiversitätsforschung und erklärt damit, warum die Biberratte die Donau meidet. An dem Strom vermiesen der wasserliebenden Tunnelbauerin vermutlich auch Regulierungen die Ansiedlung. Entlang von Leitha, March, Mur sowie am Boden- und am Neusiedler See dagegen fühlt sich die Meerschweinchenverwandte bereits heimisch. 

Für die Pelztierzucht importiert

Mit Ende des 19. Jahrhunderts wurden die Nager aus der Neuen Welt in Frankreich eingeführt. Ihr Fell war heiß begehrt. So manches Exemplar konnte aus den Zuchtfarmen ausbrechen, viele wurden mit dem Niedergang des Pelztiermarkts freigelassen. Andernorts wurden die Pflanzenfresser gezielt zur biologischen Kontrolle von Grünzeug ausgesetzt. Mittlerweile gibt es neben Frankreich auch in Italien, Deutschland und Tschechien große Populationen. Die Niederlande versuchen ihre Bestände seit Jahren durch die Bejagung mit Kastenfallen zu reduzieren.

Schäden durch die Nager

„Bei einer hohen Populationsdichte entstehen beträchtliche Schäden an Dämmen und Uferbefestigungen sowie in der Landwirtschaft“, räumt die Biologin ein. Wo Grünstreifen zwischen Gewässer und Feld fehlen, fressen sich die Nager z. B. gerne an Mais und Zuckerrüben satt. Der ökonomische Verlust ist mitunter enorm. Zudem gefährdet die Aktivität der Nutria in überschwemmungsreichen Gebieten den Hochwasserschutz. Ökologisch machen sich die Tiere unbeliebt, weil sie durch ihren Hunger auf Schilf seltene Arten gefährden. Darüber hinaus zertrampeln bzw. versenken sie Gelege von Bodenbrütern. Nicht zuletzt können die Wildtiere Krankheiten wie Toxoplasmose übertragen. Willkommen sind die Bioinvasoren damit nicht.

Mehr Lebensraum

„Die Studie zeigt, dass die derzeit bekannten Vorkommen nicht einmal die Hälfte der potenziell geeigneten Fläche in Europa abdecken und dass somit in den nächsten Jahren mit einer deutlichen Ausbreitung zu rechnen ist“, sagt Mit-Autor Franz Essl. In einem geeigneten Lebensraum können sich die Nager wie die Kaninchen vermehren – mit drei Würfen zu mindestens vier Jungen pro Jahr. Milde Winter, die der Klimawandel mit sich bringt, lassen den Reproduktionsfaktor noch steigen. Angenehme Temperaturen erschließen den an sich reviertreuen Tieren zusätzlich die nördlicheren Regionen. So eignen sich nicht nur die europäischen Tieflagen, auch Großbritannien und Irland werden attraktiver. 

Auf Abstand halten

„Klar ist, dass die Nutrias langfristig in Europa bleiben werden“, sagt Schertler: „Es ist daher sinnvoll, sich auf eine Reduktion der Populationsdichten zu konzentrieren sowie Aufklärungsarbeit zu leisten.“ Vor allem im urbanen Gebiet gilt: Abstand halten und nicht füttern.

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