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Neue Daten: Schwarzer Tod war weniger tödlich als bislang gedacht

Neue Pollendaten zeigen, dass die Pest zwar in gewissen Regionen besonders stark wütete, in anderen aber weniger oder nicht.

02/10/2022, 06:58 PM

Zwischen 1347 und 1352 brach die als Schwarzer Tod bekannte Pestwelle über Europa, Westasien und Nordafrika herein. Sie zählt heute zu den bekanntesten und berüchtigtsten Pandemien der Geschichte. Historikerinnen und Historiker schätzten bisher, dass nahezu die Hälfte der europäischen Bevölkerung daran starb. 

Unterschiede zwischen Regionen

Eine in der Fachzeitschrift Nature Ecology and Evolution veröffentlichte Studie nutzte nun Pollendaten aus 19 europäischen Ländern, um die Mortalität der zweiten Pestpandemie auf regionaler Ebene einzuschätzen. Ein internationales Forschungsteam unter der Leitung der Palaeo-Science and History-Gruppe des Max-Planck-Instituts für Menschheitsgeschichte bestimmte mit den Pflanzenpollen von 261 Untersuchungsorten, wie sich Landschaft und landwirtschaftliche Aktivität zwischen 1250 und 1450 veränderten. 

Ihre Analysen unterstützen die bisherigen Erkenntnisse, dass bestimmte Teile Europas besonders schwer von der Pest getroffen wurden. Sie zeigen jedoch auch, dass nicht alle Regionen gleichermaßen von der Seuche heimgesucht wurden.

Mithilfe von Palynologie

Mithilfe eines neuen Ansatzes, genannt Big-data paleoecology (BDP), analysierten die Forschenden 1.634 Pollenproben aus ganz Europa. Dadurch konnte das Team bestimmen, welche Pflanzen in welchen Mengen angebaut wurden und zeigen, in welcher Region der Ackerbau zum Stillstand kam, weiterbetrieben wurde oder ob Wildpflanzen auf früheren Feldern nachwuchsen.

Einen besonders starken Rückgang landwirtschaftlicher Aktivität erlebten demnach Skandinavien, Frankreich, Südwestdeutschland, Griechenland und Mittelitalien. Dies korreliert mit bereits in mittelalterlichen Quellen beschriebenen hohen Sterblichkeitsraten. Zentral- und Osteuropa sowie Teile Westeuropas, darunter Irland und die Iberische Halbinsel, zeigten hingegen Anzeichen für Kontinuität und ununterbrochenes Wachstum.

Ländliche Regionen

Ein Grund für diese überraschenden Ergebnisse liegt darin, dass viele der quantitativen Quellen aus urbanen Gebieten stammen. Diese waren besonders durch beengte Räumlichkeiten und schlechte Hygiene gekennzeichnet. In der Mitte des 14. Jahrhunderts lebte jedoch mehr als drei Viertel der europäischen Bevölkerung in ländlichen Gebieten.

Die aktuelle Studie zeigt, dass für die Untersuchung der Mortalität in einer bestimmten Region Daten aus lokalen Quellen rekonstruiert werden müssen, darunter auch mit dem BDP-Ansatz, um etwaige Veränderungen der örtlichen Landschaft zu bestimmen.

"Pandemien sind komplexe Phänomene"

"Es gibt kein universelles Modell für 'die eine Pandemie‘ oder den 'einen Pestausbruch‘, welches für jeden Ort und jeden Zeitpunkt angewendet werden kann“, sagt Adam Izdebski, Leiter der Palaeo-Science and History-Gruppe am Max-Planck-Institut für Menschheitsgeschichte. 

"Pandemien sind komplexe Phänomene, die jedoch auch immer regionale und lokal unterschiedliche Ausprägungen aufweisen. Was wir schon während der Covid-19-Pandemie erlebten, konnten wir nun auch für die damaligen Pestausbrüche zeigen.“

Sein Co-Autor, der Umwelthistoriker Martin Bauch, ergänzt: "Für Regionen wie Böhmen, Ungarn und Polen bestärken die Ergebnisse der Studie die Annahme, dass deren Blüteperiode ab 1350 nicht zuletzt mit dem Ausbleiben des Schwarzen Todes zu tun haben könnte.“

Die Unterschiede in der Mortalität in Europa zeigen, dass die Pest eine dynamische Krankheit war und insbesondere kulturelle, ökologische, ökonomische und klimatische Faktoren einen entscheidenden Einfluss auf ihre Verbreitung und Auswirkungen hatten. Die Forschenden hoffen, dass in Zukunft mehr Studien paläoökologische Daten und Schriftquellen in Verbindung setzen werden, um zu verstehen, wie diese Variablen bei der Entstehung vergangener - und gegenwärtiger - Pandemien zusammenwirken.

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