Mit Genanalysen den geheimnisvollen Kanaanitern auf der Spur
Die Bibel hat sie bekannt gemacht: Als die Israeliten aus Ägypten ins gelobte Land Kanaan zogen, stießen sie dort auf Menschen einer hochentwickelten Kultur: Die Kanaaniter lebten in einem Teil des östlichen Mittelmeers, der heute Israel, Palästina, Libanon, Syrien und Jordanien umfasst.
Aus historischen Überlieferungen ist bekannt, dass ihre Kultur erheblichen Einfluss auf den Nahen Osten und darüber hinaus besaß: Die Kanaaniter schufen beispielsweise das erste Alphabet und etablierten schließlich Kolonien im ganzen Mittelmeerraum – später bezeichnete man sie dort als die Phönizier.
Mysteriös
Trotz ihrer Bedeutung ist allerdings wenig über die Kanaaniter bekannt – vor allem nicht über ihren Ursprung und ihr weiteres Schicksal. Da sie ihre Aufzeichnungen meist auf vergänglichem Material niederschrieben, gibt es nur wenige direkte Zeugnisse ihrer Kultur. Der Bibel zufolge wurden die Kanaaniter nach der Eroberung ihrer Städte ausgelöscht. Falls dies tatsächlich so war, dürften sie demnach kaum genetische Spuren im Erbgut der heutigen Menschen dieser Region hinterlassen haben.
Um Licht in diese Geschichte zu bringen, haben Forscher um Ron Pinhasi vom Department für Evolutionäre Anthropologie der Universität Wien nun zu Mitteln der Genetik gegriffen: Sie haben die antiken Genome von 73 kanaanäischen Menschen sequenziert,
Ihre Erkenntnis, soeben im Fachmagazin Cell veröffentlicht: In der Südlevante etablierte Menschen haben sich lange und häufig mit Zuwanderern aus dem Kaukasus und dem heutigen Iran vermischt.
Das Wissenschafterteam um Ron Pinhasi vom Department für Evolutionäre Anthropologie der Universität Wien, dem u.a. auch David Reich von der Harvard Medical School (USA) angehörte, beschäftigte sich mit der Frage, wie ähnlich sich diese Gesellschaft genetisch war, die in der Bronzezeit von ungefähr 3.500 bis 1.150 vor Christus offenbar einen relativ engen gemeinsamen kulturellen Raum bildete, der sich über verschiedene Stadtstaaten erstreckte.
Gefunden wurde die untersuchte alte DNA an fünf über die Region verstreuten Ausgrabungsstätten, deren Besiedelung bis in diese Zeit zurückreichte und in der Funde der Kultur der Kanaaniter zugeordnet werden konnten. Dabei ergab sich ein relativ überschaubares und erstaunlich einheitliches genetisches Bild der dortigen Bevölkerung in der Bronzezeit, das nur wenige Gruppen umfasst. Neben den Menschen, die offenbar schon seit Jahrtausenden in der Region lebten, kam es vor allem zu Zuwanderungen aus dem Kaukasus, und damit in etwa aus dem Gebiet des heutigen Armenien, sowie aus dem heute großteils im Iran liegenden Zagros-Gebirge.
Diese Bevölkerungsgruppen vermischten sich den Analysen zufolge offenbar in etwa zu gleichen Anteilen, wie es am Donnerstag in einer Aussendung der Uni Wien heißt. Die Zuwanderung aus der Kaukasus-Zagros-Region dürfte bereits vor mehr als 4.500 Jahren begonnen haben und hielt zur Überraschung der Forscher vermutlich bis in die späte Bronzezeit an.
"Unsere Ergebnisse liefern ein umfassendes genetisches Bild der Mehrheit der Bevölkerung der südlichen Levante im zweiten Jahrtausend vor Christus“, sagt Pinhasi.
Bis heute nachweisbar
Neben der starken kulturellen Übereinstimmungen waren die Kanaaniter einander offenbar auch genetisch recht ähnlich. Ihr Vermächtnis sei auch noch heute in der DNA der Bevölkerung der Region nachweisbar.
Später kam es dort zu vielen Bevölkerungsbewegungen mit Zuwanderung aus dem Nordosten, dem Süden und dem Westen, sagte Pinhasi. Während nämlich bis in die Bronzezeit das genetische Bild recht eindeutig aussehe, konnte die Erbgut-Entwicklung der dann folgenden 3.000 Jahre anhand der vorliegenden Daten nicht mehr nachvollzogen werden.
Die aktuellen Ergebnisse stützen damit ältere ähnliche Gen-Analysen, etwa jene von um Marc Haber vom Wellcome Trust Sanger Institute im britischen Hinxton, der 2017 in einer ähnlichen Analyse genetische Kontinuität feststellte.
Kommentare