Kupferzeit-Grab: Oberster Häuptling war in Wirklichkeit eine Frau

Der prominenteste Häuptling der Kupferzeit in Spanien war nicht wie bisher angenommen ein Mann, sondern eine Frau.
Neue archäologische Funde zeigen: Schon in der frühesten Epoche der Menschheitsgeschichte waren Führungspositionen mit Frauen besetzt.

Elefantenstoßzähne aus Afrika, Bernsteinperlen aus dem Norden, Bergkristalle, Feuersteine und Straußeneierschalen: Als spanische Archäologinnen und Archäologen diese Kostbarkeiten 2008 in einer Grabstätte aus der Kupferzeit entdeckten war rasch klar, dass hier eine Person hohen sozialen Rangs begraben wurde. Zunächst wurde das gefundene Skelett als männlich identifiziert.

Nun – immerhin 15 Jahre später – stellt sich heraus: Es war eine Frau, die einst mit den exotischen Luxusgütern in Spanien zu Grabe getragen wurde.

Mittels Zahnschmelzanalysen, einer neuen wissenschaftlichen Methode der Geschlechtsbestimmung, gelang es einem internationalen Forschungsteam, darunter Forschende der Österreichischen Akademie der Wissenschaften und der Universität Wien sowie der Medizinischen Universität Wien, das tatsächliche Geschlecht nachzuweisen. Die Erkenntnisse wurden im renommierten Fachmagazin Nature Scientific Reports veröffentlicht.

Geschlechterstereotype prägen auch Archäologie

Die Grabbeigaben – darunter auch ein besonders schöner Dolch mit einer Klinge aus Bergkristall und einem Elfenbeingriff, der mit 90 durchbrochenen scheibenförmigen Perlen aus Perlmutt verziert ist – deuten darauf hin, dass die Frau eine führende gesellschaftliche Persönlichkeit war.

Kupferzeit-Grab: Oberster Häuptling war in Wirklichkeit eine Frau

Unter den gefundenen Artefakten befindet sich unter anderem ein Straußenei, Keramikteller, Feuersteine, ein edler Stoßzahn sowie ein aufwändig dekorierter Dolch.

Sie könnte zum Beispiel als Elfenbeinhändlerin oder Priesterin gelebt haben und wurde daher entsprechend bestattet, folgern die Forschenden.

Der Fund erzählt aber nicht nur über ihr mögliches Leben, sondern auch darüber, wie Vorstellungen der Gegenwart die Interpretation der Vergangenheit prägen: "Häufig dominieren Bilder, wonach in der frühesten Epoche der Menschheitsgeschichte sämtliche Führungspositionen von Männern besetzt gewesen seien. Mit diesem Fund werden viele unserer Geschlechterstereotypen über Bord geworfen", sagt Katharina Rebay-Salisbury vom Österreichischen Archäologischen Institut der Österreichischen Akademie für Wissenschaften und der Universität Wien.

Kupferzeit-Grab: Oberster Häuptling war in Wirklichkeit eine Frau

Ebenfalls entdeckt wurden unter anderem ein Kamm und ein Gefäß aus Elfenbein.

Zahnschmelzanalysen eröffnen neue Möglichkeiten

Aufgrund der klimatischen Bedingungen sind DNA-Analysen im Mittelmeerraum oft schwierig, prähistorische Knochen sind wegen der hohen Temperaturen und trockenen Luft in spanischen Bestattungsplätzen oft schlecht erhalten, erklärt Rebay-Salisbury.

Abhilfe schaffte eine neuartige Zahnschmelzanalyse: "Unsere Methode beruht auf der Analyse von geschlechtsspezifischen Peptiden, also aus Aminosäuren aufgebauten Molekülen, die durch die unterschiedlichen Isoformen des Proteins Amelogenin bei Männern und Frauen im Zahnschmelz in unterschiedlicher Form vorkommen", sagt Rebay-Salisbury.

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