Andreas Bergthaler hat für den KURIER eine aktuelle Publikation aus dem Wissenschaftsmagazin Cell Discovery studiert. Er ist Experte für Infektionskrankheiten am Zentrum für Molekulare Medizin (CeMM) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien, erforscht, was genau in Zellen geschieht, wenn Viren eine Krankheit auslösen, und sagt: „Die Kollegen haben genetische Varianten des neuen Coronavirus-Rezeptors bei unterschiedlichen Populationen aus aller Welt angeschaut.“
Toröffner
Im Fokus der chinesischen Genetiker stand dabei der ACE2-Rezeptor. Hierzu muss man wissen: Um eine Krankheit auszulösen, müssen Viren in menschliche Körperzellen eindringen. Dazu heften sie sich an geeignete Zellen und schleusen ihre Erbinformation ein. Der Toröffner dabei ist der ACE2-Rezeptor. Ob dieser Rezeptor vorhanden ist und wie er aufgebaut ist, ist eine Frage der Genetik.
Das Team um Cao verglich also chinesisches Erbgut mit afrikanischem, europäischem, südostasiatischem und amerikanischem. Ergebnis: Sie haben keine Belege gefunden, die einen unterschiedlichen Schutz vor dem Coronavirus in verschiedenen Populationen nahelegen würden. Auch Unterschiede je nach Geschlecht fanden sie nicht. Bergthaler: „Es wurden keine genetischen Anhaltspunkte für genetische Veränderungen im Rezeptor gefunden, welche nur in der asiatischen Population vorkommen und die Infektion begünstigen würden.“
Das Fazit der chinesischen Genetiker: „Personen aus allen Weltregionen benötigen das gleiche Maß an persönlichem Schutz gegen das Coronavirus.“ Europäische Herkunft ist also kein Freibrief. Sie warnen ausdrücklich davor, mit rassistischen Argumenten die Anfälligkeit für das Coronavirus vorhersagen zu wollen.
Andere Gene
Bergthaler ergänzt, dass es natürlich andere Gene gebe, die bei der Ansteckung eine Rolle spielen könnten, nur deute derzeit nichts darauf hin. Viel relevantere Faktoren, warum das Virus vor allem in Asien grassiert, seien sozioökonomische und mikroklimatische. Auch Bevölkerungsdichte und chinesische Essgewohnheiten spielen eine Rolle. Bei vielen Fragen müsse man einfach zugeben: Das weiß man noch nicht – etwa warum Kinder weniger oft erkranken. Bergthaler: „Das ist ungewöhnlich, weil bei anderen Infektionserregern Kinder, ältere Leute sowie immungeschwächte Patienten oft die anfälligsten Bevölkerungsgruppen sind.“
Unterschiede
Wobei es natürlich genetische Unterschiede zwischen Asiaten und Europäern gebe: So ist bekannt, dass Asiaten zu einem hohen Prozentsatz Alkohol nicht abbauen können. Vor zehn Jahren entdeckte man, dass etwa 50 Prozent der Menschen aus dem pazifischen Raum das dafür nötige Enzym aufgrund ihrer genetischen Veranlagung nicht haben. Aber das ist eine andere Geschichte.
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