Japanische Forscher lassen dritte Zähne wachsen

Neue Beißerchen: Bei Frettchen konnte das Wachstum der Vorderzähne bereits angeregt werden
Und immer brav Zähneputzen! Dass man auf seine Zähne Acht geben muss, bringt man Kindern schon früh bei. Nachdem die ersten Milchzähne ausgefallen sind und die zweiten Zähne nachkommen, gilt es besonders gründlich zu sein. Denn: Die wachsen nicht mehr nach.
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Dank jahrzehntelanger Forschungen könnte es künftig aber möglich sein, gänzlich neue Zähne wachsen zu lassen. Interessant ist das insbesondere für Menschen mit Anodontie. Damit bezeichnet man das angeborene Fehlen aller Zähne. Dabei sind weder für das Milchgebiss noch für das bleibende Gebiss Zahnkeime angelegt. Davon abzugrenzen ist eine Oligodontie, die das Fehlen von mehr als sechs Zähnen beschreibt.
Den Traum jedes Zahnarztes leben
In Tierversuchen war das Team um den japanischen Zahnmediziner Katsu Takahashi vom Kitano Hospital in Osaka mit einem neuartigen Ansatz bereits erfolgreich. "Die Idee, neue Zähne wachsen zu lassen, ist der Traum eines jeden Zahnarztes", wird der Oralchirurg in der japanischen Tageszeitung The Mainichi zitiert. "Ich habe daran gearbeitet, seit ich Doktorand war. Und ich war zuversichtlich, dass ich es schaffen würde."
Takahashis Optimismus hat sich ausgezahlt: Bis 2030 soll die Therapie fit für den Einsatz beim Menschen gemacht werden. Bereits kommendes Jahr soll die Methode klinisch – also am Menschen – erprobt werden, wie nun bekannt wurde.
Doch, worauf basiert diese neuartige Behandlung eigentlich – und ist es wirklich denkbar, dass sie bald beim Menschen zum Einsatz kommt?
Schon Anfang der Neunziger begann die Zahnmedizin sich der Erforschung jener Teile des Erbguts zu widmen, die einen angeborenen Zahnmangel mitbestimmen. Bald ließ sich in Experimenten mit Mäusen und Frettchen die Anzahl der angelegten Zähne über das Ein- und Ausschalten bestimmter Gene steuern. Ein neuer Therapieansatz war geboren: "Es sollte auch einen Weg geben, die Anzahl der Zähne bei Menschen zu verändern", prognostizierte Takahashi damals.
Genmanipulation ermöglicht intaktes Gebiss
Anfang der Nullerjahre vertiefte Takahashi seine Forschungen. Er konnte nicht nur final belegen, dass Mäusen, denen ein bestimmtes Gen fehlt, eine erhöhte Anzahl von Zähnen aufweisen. Er stellte auch fest, dass konkret ein Protein namens USAG-1, das von besagtem Gen hergestellt wird, das Zahnwachstum begrenzt. Blockiert man seine Wirkung, können mehr Zähne sprießen. Auf Basis dieser Erkenntnis entwickelte Takahashi mit seinem Team eine Antikörpertherapie, die genau das tut – also die Funktionsweise des Proteins hemmen. Bei Mäusen konnte in Versuchen so schon vor einigen Jahren ein Zahnwachstum stimuliert werden. Seither arbeitet Takahashi daran, das Medikament für den Menschen zu optimieren.
Katrin Bekes, Leiterin der Kinderzahnheilkunde an der MedUni Wien und Vizepräsidentin der Österreichischen Gesellschaft für Kinderzahnmedizin, hält den Ansatz für "interessant und spannend", mahnt aber zur Umsicht. "Die Idee, Zähne zu züchten ist nicht neu, es wird dazu schon seit Jahren im Labor geforscht. Es ist jedoch interessant nun zu sehen, dass Tierstudien unter bestimmten Voraussetzungen erste positive Ergebnisse gezeigt haben", präzisiert Bekes, die auch Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Kinderzahnmedizin ist.

Ein neuer Zahn wächst bei einer Maus, die mit dem Zahnwachstumsmedikament behandelt wurde.
Man müsse nun allerdings "vorsichtig abwarten, ob sich die gefundenen Ergebnisse tatsächlich auch in klinischen Studien beim Menschen eins zu eins abbilden lassen".
Das sei keinesfalls gesichert. In der Vergangenheit habe sich dies auch in anderen Forschungsbereichen der Zahnmedizin gezeigt: "Tiermodelle können nicht einfach auf den Menschen übertragen werden. Sollte sich bei dem jetzt diskutierten Ansatz tatsächlich herausstellen, dass sich die Ergebnisse auch am Menschen replizieren lassen, könnte sich das in der Zukunft allerdings zu einem Gamechanger für die Zahnmedizin entwickeln." Das werde aber wohl noch, auch das betont Bekes, "eine Zeit dauern".
Behandlung "sind keine Grenzen gesetzt"
Takahashi hofft jedenfalls, "den Weg für den klinischen Einsatz des Medikaments zu ebnen". Solide Prüfungen sollen nun die Sicherheit und Verträglichkeit des Mittels bestätigen. In Folge könnte es in einem ersten Schritt zur Behandlung von Kindern im Alter zwischen zwei und sechs Jahren eingesetzt werden, die unter Anodontie leiden.
Im Grunde, betont Takahashi, seien dem Behandlungsansatz aber keine Grenzen gesetzt: So könnten etwa auch Menschen, die derzeit auf Zahnprothesen angewiesen sind, künftig von der "dritten Zahngeneration" profitieren. "Wir träumen von einer Zeit, in der die Zahnwachstumsmedizin neben Prothesen und Implantaten eine dritte Option darstellt."
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