Hauskatzen haben kleinere Hirne als ihre wilden Vorfahren
Dieses Rätsel der Vererbungslehre hat schon den großen Charles Darwin beschäftigt: Beim Züchten von Haustieren aus Wildtieren werden alle möglichen Spezies – egal ob Hund, Schaf oder Kuh – nicht nur zahmer, sie erwerben auch einen Mix typischer Haustiermerkmale. So kommen Schlappohren und Kindchenschema-Physiognomie öfter vor, zudem längere Jugendzeiten, veränderte Hirnchemie und Hormone, gefleckte Körperfarben – und ein insgesamt kleineres Hirn.
Nur bei Hauskatzen war man sich bisher nicht so sicher. Jetzt haben Wiener Forscher dieses Phänomen aber auch bei ihnen nachgewiesen: Unsere Stubentiger haben kleinere Hirne als ihre Vorfahren, die afrikanischen Falbkatzen. Auch europäische Wildkatzen besitzen mehr graue Zellen. Die „Haustierwerdung“, Domestikation im Wissenschaftssprech, ließ ihre Gehirnschädel schrumpfen, wissen Raffaela Lesch und Tecumseh Fitch, Verhaltens- und Kognitionsbiologen an der Universität Wien.
„Wir fanden heraus, dass Hauskatzen das geringste Gehirnschädel-Volumen haben“, schreiben die Forscher im Fachjournal Royal Society Open Science, nachdem sie die Gehirnschädel von Hauskatzen, Falbkatzen, europäischen Wildkatzen sowie Kreuzungen von Haus- und Wildkatzen verglichen hatten.
Rätsel
Über die Gründe für das Hirnschrumpfen in Gegenwart von Menschen rätselt die Fachwelt. Schuld könnten sogenannte „Neuralleistenzellen“ sein, die Stresshormone und Adrenalin produzieren. Wenn sie „leicht defekt“ sind, sind die Tiere weniger ängstlich und aggressiv, also zahm. Weil diese Zellen auch Farbpigmente, Knorpel und Botenstoffe für die Gehirnentwicklung produzieren, haben die Haustiere auch oft geflecktes Fell, Schlappohren und eben kleinere Gehirne als ihre wilden Vorfahren.
Auch die veränderte Ernährung könnte eine Rolle spielen. Lesch: „Als die Katzen ihre Verdauung an ein Leben mit den Menschen und deren Nahrung anpassen mussten, könnte es zu einer Reduktion des Gehirnvolumens gekommen sein, weil mehr Energie in den Darm investiert werden musste.“ Die Tiere hätten demnach längere Därme auf Kosten von Gehirnvolumen erkauft.
Bei Hunden kennt man das Phänomen, dass sie durch ihre enge Beziehung zum Menschen offenbar einiges an Grips eingebüßt haben, schon länger: 2014 fanden Forscher heraus, dass Hunde schlechter zählen können als ihre wilden Verwandten, die Wölfe. Ein Jahr später stellte man fest, dass sie auch schnell die Lust verlieren, wenn sie allein ein Problem lösen sollen und stattdessen Hilfe suchend zu Herrl oder Frauerl blicken. Die starke Ausrichtung auf uns Menschen dürfte die Problemlöse-Fähigkeiten der Vierbeiner hemmen. Ein Schelm, der zum Schluss kommt, dass Tier ein bisserl dumm sein muss, um menschenverträglich zu sein.
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