Um 1700 hatte, wer die öffentlichen Laternen in Wien unbefugt „abdrehte“, mit drakonischen Strafen zu rechnen: ... wer die an vielen Orten bereits ausgehängten Lampen boshafter Weise destruiert, dem wird die rechte Hand abgehackt.
Heutzutage haben die Patres in Stift Melk und Heiligenkreuz nichts zu befürchten, wenn sie – wie diese Woche angekündigt – ihre Fassadenbeleuchtung einschränken, um Energie zu sparen. Im Gegenteil: Sie folgen dem Zeitgeist. Das Stift Klosterneuburg verzichtet vorübergehend gar vollständig auf Effektbeleuchtung. Großstädte und Konzerne denken sowieso seit Wochen über eine Reduktion in der Krise nach.
Was uns zur Frage bringt: Wann und warum hat der Mensch die Nacht zum Tag gemacht? „Bis weit ins 19. Jahrhundert hinein war gutes Licht ein Luxusprodukt“, sagt Ute Hasenöhrl von der Universität Innsbruck und spricht von einer „Beleuchtungsrevolution“.
Die Expertin für die Kultur- und Umweltgeschichte des Lichts weiß, dass die teuren Beleuchtungsträger lange Kirchen und Adel vorbehalten waren. Auf barocken Festen wurden Feuerwerke, Fackelprozessionen sowie prächtig beleuchtete Gärten und Säle eingesetzt, um die Herrlichkeit des absolutistischen Fürsten zu symbolisieren. Ludwig XIV. etwa soll 1688 in Versailles 24.000 Wachskerzen verbrannt haben.
Damals funktionierte die göttliche Ordnung noch: Gotteshäuser waren die am hellsten beleuchteten Gebäude und der Kerzenschein versinnbildlichte die geistliche Erleuchtung. Hasenöhrl verweist auf die Symbolik von Licht und Dunkelheit, Gut und Böse in der Bibel. Doch dann kam die „Aufklärung“ – und das „siècle des lumières“ (franz. Zeitalter der Erleuchtung) deutete auch das Licht um: Plötzlich ging es nicht mehr von Gott aus, sondern vom Menschen.
Fortschritt
„Im 19. Jahrhundert hielt die moderne Effektbeleuchtung in Städten Einzug. Die Ausdehnung des Lichts in die Nacht ist ein Phänomen dieser Zeit“, sagt Peter Payer vom Technischen Museum Wien. „Besonders bei den Weltausstellungen wurden schon früh Lichtshows und Effektbeleuchtungen eingesetzt.“
Das aufstrebende Bürgertum illuminierte den kommerziellen Bereich, Restaurants und Theater wurden in Szene gesetzt und offizielle Beleuchtungsspektakel sollten ein nationales Einheitsgefühl wecken und zugleich den technischen Fortschritt veranschaulichen. „Kaiser Franz Joseph etwa bekam zum Geburtstag Lichtfeste geschenkt“, erzählt Stadtforscher Payer. Da wurden beleuchtete Ballons in den Himmel geschickt und Fassaden illuminiert. „Das hatte eine große Anziehungskraft, weil nächtliches Strahlen damals noch nicht selbstverständlich war.“
Um 1900 war Wien die viertgrößte Stadt des Kontinents und hat in Sachen Beleuchtung in der Oberliga mitgespielt.
Man stand Berlin, Paris und London um nichts nach.
von Peter Payer
Historiker und Stadtforscher
Seit den 1820ern stand Gaslicht zur Verfügung, um 1850 kam Petroleum und ab den 1880ern elektrisches Licht. Jetzt wurden nicht nur die repräsentativen Innenstädte erleuchtet, auch den Vorstädten ging ein Licht auf. Reklamebeleuchtung und Nachrichtenleuchtbänder setzten weitere Lichtakzente. All das führte zu tiefgreifendem sozialen Wandel.
Neuer Sozialtyp
Menschen konnten – und mussten – jetzt unabhängig vom Tageslicht arbeiten: Ökonomischer Fortschritt und Industrialisierung waren erwünschte Begleiterscheinungen. Damit entstand auch eine neue Vergnügungskultur und ein neuer Sozialtyp – der Nachtschwärmer. Kinos und Nachtlokale prägte eine neue urbane Kultur: Metropolen mit hell blinkenden Schaufenstern, Straßenlaternen, effektvoll beleuchteten Gebäuden standen für Modernität im Gegensatz zur finsteren ländlichen „Rückständigkeit“.
Wie sich die Zeiten ändern: Heute reden wir eher von Energiekrise und Lichtverschmutzung. Historikerin Hasenöhrl: „Das ist oft aber nicht nachhaltig. Ist die Krise vorbei, kommt auch die Beleuchtung zurück.“
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