Im Auftrag von Kaiser Maximilian I. sollte Herberstein, der an der Universität Wien studiert und bereits heikle diplomatische Missionen erledigt hatte, Frieden zwischen Russen und Polen-Litauen vermitteln. Ziel: Ein Bündnis gegen die Osmanen, die 1453 das christliche Konstantinopel erobert, den Islam eingeführt, die Kirchen zerstört oder aus ihnen Moscheen gemacht hatten.
Keine Zugeständnisse
Wassili empfing Sigismund im Kreml zwar mit Pomp, machte aber keine Zugeständnisse. Herberstein kehrte heim und kam zehn Jahre später wieder. Diplomatisch brachten beide Missionen wenig, dafür schlug das Nebenprodukt der Reisen ein: Seine Schilderungen über das bis dahin in Europa weithin unbekannte Land der „Reissen“ wurden weltberühmt. Der Österreicher war einer der Ersten, der dem Westen Russland erschloss, außerdem konnte er dank Altslowenisch-Kenntnissen mit den Menschen reden. Der Weltenbummler beschrieb die Stellung der Frau, wie man heiratete, das Alltagsleben, oder dass Latein und Universitäten Russen fremd waren. Europa war begierig, aus erster Hand zu erfahren, was sich im Osten des Kontinents tat und verschlang sein Moscovia.
Trotz wenig schmeichelhafter Passagen fühlten sich auch die Russen durchaus treffend beschrieben. „Das liegt daran, dass seine Beschreibungen nicht überheblich, sondern sogar aus russischer Sicht ausgewogen sind. Außergewöhnlich, denn damals schrieb man, um die eigene kulturelle Überlegenheit zu untermauern. Das machte Herberstein nicht“, sagt die Leiterin des Boltzmann-Institutes für Kriegsfolgenforschung, die im Vorjahr gemeinsam mit Stefan Karner, ebenfalls Historiker, ein Buch über den Marco Polo Russlands herausgegeben hat (Moscovia. Die Reise nach Moskau. Bedeutung und Erbe. Leykam. 30 €).
„In Österreich bewirkte das Werk Herbersteins einen eigenartigen Umbruch in den Vorstellungen der Westeuropäer über das damalige Russland“, schreiben die Historiker in ihrem Buch. „Es zeigte Europa deutlich, dass es im russischen Staat einen dynamisch erstarkenden, aussichtsreichen und würdigen Partner gefunden hatte.“
Marksteine
Wobei Herberstein aber nur ein Puzzlestein in Österreichs Naheverhältnis zum Imperium im Osten war. Auch, weil man ihn hierzulande überhaupt nicht mehr kennt, meint die Historikerin. Wichtigere Marksteine der austro-russischen Beziehungen seien daher der Staatsvertrag 1955, der nach langem Ringen auch die Zustimmung der Sowjetunion erhielt. Weiters der Wien-Gipfel 1961 mit Kennedy und Chruschtschow und der Gipfel Carter–Breschnew 1979. Da wurde Österreichs Rolle als internationaler Gastgeber – auch mithilfe der Sowjets – auf allerhöchstem Niveau begründet.
Der Feind meines Feindes ...
Die wichtigste historische Triebfeder für das heimische Naheverhältnis zu Russland war aber „die Abwehr der revolutionären Bedrohung durch Frankreich“, ergänzt Historiker Hannes Leidinger: „Ohne Russland hätten sich die Habsburger gar nicht halten können“. Motto: Der Feind meines Feindes ist mein Freund.
Wobei es heute wohl gut wäre, sich an Sigismunds Befund zu erinnern. Schon 1549 warnte er seine daheim gebliebenen Landsleute: Die Rus unterscheide sich von anderen Völkern durch Habitus, Religion und strengsten Gehorsam.
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