Der neue Werkzeugkasten der Wissenschafter

Der neue Werkzeugkasten der Wissenschafter
Molekulare Ägyptologie boomt und erlaubt der Wissenschaft ungeahnte Erkenntnisse.

Im September 2007 hatte sich ein Team von zehn Forschern darangemacht, die letzten Rätsel der Pharaonen zu lüften. Von elf Mumien aus der Verwandtschaft Tutanchamuns und von fünf weiteren wurden Gewebeproben aus dem Knocheninneren entnommen. In zweijähriger Arbeit haben die Mumienforscher die DNA extrahiert und genetische Fingerabdrücke für alle 16  Körper erstellt.

Das Ergebnis war ein Fünf-Generationen-Stammbaum der Familie Tutanchamuns: So führt eine direkte männliche Linie von Tutanchamun  zurück zu Juja, dem Urgroßvater.  Seine Urgroßmutter hieß Tuja. Amenhotep III war der  Großvater des Kind-Pharaos und Königin Teje die Großmutter. Die beiden hatten einen Sohn namens  Amenhotep IV, der sich später Echnaton nannte.

Royal Mummies Hall

Einige von ihnen übersiedeln heute in die neue Royal Mummies Hall im Süden Kairos, wo auch die Forschungsergebnisse erstmals gebührend präsentiert werden sollen. Den Wissenschaftern war sofort klar, dass die wahre Bedeutung der ersten DNA-Studie an Königsmumien nicht darin lag, dass man den Stammbaum der königlichen Familie und Tutanchamuns Todesursache entdeckt hatte. Die „molekulare Ägyptologie“  ermöglicht  einen exakten Blick auf die Lebensumstände vor 3.300 Jahren.  „Als Kind dachte ich: ‚Ein Pharao, wow! Er war sicher reich und schön‘“, sagte Carsten Pusch, Genetiker aus Tübingen, der mit  Albert Zink von der Europäischen Akademie Bozen Tuts Erbgut analysiert hat. In Wahrheit humpelte er wenig königlich auf Krücken dahin. „Er war also eher ein leidender Bub denn ein Held.“
 

Dass seine Gene nach Jahrtausenden viel besser erhalten sind als sonst üblich und daher mehr Aussagekraft haben, liege an der besonderen Balsamierung. Mit ihr bewahrten Priester die Körper der gottgleichen Pharaonen vor dem Zerfall.

Gemeinschaftsgräber

Um zu verstehen, warum es überhaupt nötig ist, Mumien mithilfe von Hightech zu identifizieren, hilft ein Blick in die Fundgeschichte: 30 Dynastien gab es im Alten Ägypten. Königsmumien sind aber nur aus dem Neuen Reich erhalten – der 18., 19. und 20. Dynastie. Diese Pharaonen erkoren ab etwa 1500 v. Chr. das Tal der Könige als Begräbnisstätte.  Am Ende der 20. Dynastie, um 1000 v. Chr., passierte der Frevel: Es gab eine Welle von Grabplünderungen. Folge: Alle Gräber wurden von Staats wegen geöffnet. Man kontrollierte, ob sie noch intakt waren und konfiszierte eventuell vorhandene Schätze. Die toten Pharaonen wurden von den Priestern neu eingewickelt, auf Holz-Halsketten wurden ihre Namen vermerkt – soweit man sie kannte. Dann wurden die Pharaonen in geheime, schlichte Gemeinschaftsgräber umgebettet.

Trotzdem gelten einige Königmumien als verschollen, andere wiederum harren ihrer Entdeckung unter den vielen noch nicht zugeordneten Überresten. Und hier kommt wieder die die Molekulare Ägyptologie ins Spiel: Neben Schaufel und Spitzhacke ermöglichen heute Mikroskop und DNA-Analyse ungeahnte Erkenntnisse.

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