Christa Schleper: In heißen Quellen urtümlichen Lebewesen auf der Spur
Die Mikroorganismen aus vulkanischen Quellen, mit denen sich die diesjährige Wittgenstein-Preisträgerin, Christa Schleper, im Rahmen ihrer Diplomarbeit auseinandersetzte, haben sie bis heute nicht losgelassen. In den vergangenen Jahren hat die seit 2007 als Professorin an der Universität Wien tätige Mikrobiologin mit Entdeckungen im Bereich der Archaeen aufhorchen lassen. Die urtümlichen Lebewesen lassen die Forscherin aber auch in eine nachhaltigere Zukunft blicken.
Mit den Kleinstlebewesen, die an mitunter extremen Rändern der bewohnbaren Umwelt existieren, hat die im Jahr 1962 in Oberhausen (Deutschland) geborene Wissenschafterin bereits seit den 1990er Jahren am Max-Planck-Institut für Biochemie in Martinsried bei München zu tun. Nach dem Studium an der Universität Konstanz machte sie dort ihr Doktorat bzw. ihren Post-doc. Letztere Karrierephase führte Schleper auch an das California Institute of Technology (Caltech) und die University of California Santa Barbara (beide USA), wo sie zwischen 1996 und 1997 tätig war.
Dann zog es Schleper wieder zurück nach Deutschland, wo sie sich im Jahr 2003 im Bereich der Mikrobiologie und Genetik an der Technischen Universität Darmstadt habilitierte. Ein Jahr später wechselte die Mutter zweier Kinder an die Universität Bergen in Norwegen. 2007 folgte sie dem Ruf nach Wien, wo sie zur Leiterin des Departments für Genetik in der Ökologie an der Universität Wien wurde. Gleichzeitig wechselte auch Schlepers Ehemann, der Entwicklungsbiologe Ulrich Technau, von Bergen auf eine Professur an der Uni Wien. Im Jahr 2011 identifizierte die Neo-Wittgensteinpreisträgerin ein Archaeon in Bodenproben vom einstigen Institut-Standort in Wien-Alsergrund. "Nitrososphaera viennensis" entpuppte sich als weit verbreitet und wichtig für den Stickstoff-Abbau in Böden.
Bis zum Jahr 2014 war sie auch weiter an der Uni Bergen als "Adjunct Professor" tätig. Diese Verbindung führte 2015 auch zur Beteiligung an der Entdeckung von sogenannten Loki- oder Asgard-Archaeen in Proben aus Untersee-Vulkangebieten nahe Island, einer speziellen Einzeller-Gruppe, die sich als die engsten Verwandten der einen Zellkern besitzenden Lebewesen (Eukaryonten) entpuppten. In der Folge gelang es Schleper und ihrem Team auch, diese Lebewesen im Labor zu kultivieren.
150 wissenschaftliche Publikationen
Im Jahr 2016 erhielt die Wissenschafterin, die als Leiterin des Departments für Funktionelle und Evolutionäre Ökologie und der Archaea-Biologie- und Ökogenomik-Forschungsgruppe der Uni Wien fungiert, einen "Advanced Grant" des Europäischen Forschungsrates (ERC) in der Höhe von rund 2,5 Mio. Euro zur Erforschung dieser beiden Archaea-Gruppen. Einerseits versprechen diese neue Einblicke in die frühe Entwicklung des komplexeren Lebens, andererseits lässt die Beteiligung der Kleinstlebewesen am Stickstoff-Abbau etwa an nachhaltigere Formen des Düngereinsatzes denken.
Für rund 150 wissenschaftliche Publikationen zeichnet Schleper bis dato verantwortlich. In den Jahren 2019 und 2020 listete sie der Datenkonzern Clarivate Analytics unter die "Highly Cited Researchers", also in jene illustre Gruppe, die das oberste Prozent der am meisten zitierten Wissenschafter repräsentieren. Im Jahr 2017 wurde die Mikrobiologin als "Wirkliches Mitglied der mathematisch-naturwissenschaftlichen Klasse" in die Akademie der Wissenschaften (ÖAW) aufgenommen. Im Jahr darauf wurde Schleper zum Mitglied der "European Molecular Biology Organisation" (EMBO).
In den vergangenen Semestern organisierte die Wittgenstein-Preisträgerin an der Uni Wien eine Vorlesung zur Klimakrise. Schleper betonte im Vorfeld der Preisverleihung gegenüber der APA auch, wie wichtig und attraktiv für sie die Forschung im Feld ist. In ihrem Fall sind dies meist heiße Quellen. So kann die Wissenschafterin auf zahlreiche Expeditionen nach Japan, auf die Azoren, nach Island, auf die Halbinsel Kamtschatka im äußersten Osten Russlands oder nach Italien zurückblicken.
Nähere Informationen über ihr Forschungsgebiet: https://archaea.univie.ac.at
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