Keramikscherben, die beim Pflügen immer wieder zum Vorschein kamen, waren die ersten Anzeichen. Und weil Vorsicht die Mutter der Porzellankiste ist, beauftragten die ÖBB 2014 Archäologen, den gesamten Trassenverlauf von Meidling bis Pottendorf zu untersuchen. Schließlich wollte man beim Neubau der Pottendorfer-Linie keine Überraschungen erleben.
Lufbildaufnahmen deuteten dann aber genau darauf hin – auf Überraschungen, archäologische Funde seien zu erwarten. Und so hat man 2019 begonnen, zu graben. Nachdem man 7.000 m² untersucht hatte, kam eine spätbronzezeitliche Siedlung (1300-800 v. Chr.) zum Vorschein – eine der größten in Österreich jemals dokumentierten Siedlungen dieser Zeit. Und ein Goldschatz, der sogar das Denkmalamt derart verblüffte, dass es ihn innerhalb weniger Stunden unter Schutz stellte, erzählt die Archäologin Michaela Binder. „So etwas gibt es nirgendwo sonst in Mitteleuropa. Man kennt derartige Goldschalen nur aus Norddeutschland und Skandinavien. Die Funde sind wissenschaftlich eine Sensation.“
Insgesamt fünf Objekte umfasst der Goldschatz. Herausragend: Eine fein verzierte goldene Schale mit konzentrischen Zierbändern, Kreismotiven und einem sternförmig gearbeiteten Boden.
So weit südlich habe niemand mit einem derartigen Goldfund gerechnet, sagt Binder und berichtet über die Fundumstände: „Seit Jahrzehnten wird hier gepflügt, das Schatzdepot dürfte durch den Pflug bereits einmal verlagert worden sein. Es liegt also nicht mehr exakt an seinem originalen Ort.“ Denkbar ist, dass die Objekte in einer Grube versteckt wurden.
Über den Eigentümer können die Archäologen nur Mutmaßungen anstellen. Binder: „Wir gehen nicht davon aus, dass die Schale hier in Ebreichsdorf hergestellt wurde.“ Weil es vergleichbare Stücke in Norddeutschland und Dänemark gibt, denkt Binder, dass sie ein Geschenk war, wahrscheinlich an einen Anführer, und auf ausgeprägte Handelskontakte in der späten Bronzezeit hindeutet. „Die Schale hatte mit ihren Sonnensymbolen sicher auch kultische Bedeutung. Vielleicht gehörte sie einem religiösen Würdenträger.“ Das aber ist Spekulation: „Wir wissen einfach nicht genug über die Gesellschaften damals.“
Woher das Gold kam, sollte sich aber bald klären lassen: Der renommierten Metallurge Ernst Pernicka, der schon die Himmelsscheibe von Nebra analysierte, hat den Goldfund vergangene Woche untersucht, Ergebnisse stehen noch aus. „Man weiß aber, dass damals bereits Gold in Bulgarien abgebaut wurde; auch in Rumänien. Das Gold der Himmelsscheibe wiederum stammt aus Cornwall. Das sind die heißen Kandidaten“, mutmaßt Binder.
Golddurchwirkter Stoff
Neben der Goldschale umfasst der Schatz drei Goldspiralen bzw. -spiralenbündel sowie ein Golddrahtkonvolut, bei dem es sich nach ersten Analysen durch Expertinnen des Naturhistorischen Museums um die Reste eines golddurchwirkten Textils mit von Golddraht umwickelten Fransen handeln dürfte. Vergleichbare Objekte sind in Österreich bisher nur von zwei Fundorten im Salzkammergut bekannt, der Erhaltungszustand der Ebreichsdorfer Funde ist jedoch außergewöhnlich.
Derzeit werden die Objekte jedenfalls restauriert und sollen später im Naturhistorischen Museum ausgestellt werden.
Zentralsiedlung Ebreichsdorf
Wer sich nun fragt, warum ausgerechnet im Industrieviertel Niederösterreichs ein derartig herausragender Fund zum Vorschein kommen kann: Ebreichsdorf war – für die Bronzezeit – eine große Siedlung. Binder: „Es war die Zeit, da die Menschen in größeren Zentralorten zusammenziehen. Wir haben um die 20 Hausgrundrisse festgestellt.“ 100 bis 150 Leute, deren Alltag von der Landwirtschaft geprägt war, dürften damals hier gelebt haben.
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