1.200 Jahre antike Olympische Spiele und keine Absage

1.200 Jahre antike Olympische Spiele und keine Absage
In Japan mehren sich Stimmen, die die Absage der Olympischen Spiele fordern. In der Antike wurden sie dagegen konsequent durchgezogen.

Wir schreiben 429 v. Chr.: In Griechenland tobt der Peloponnesische Krieg. Die Landbevölkerung flüchtet vor den anrückenden Spartanern hinter die Athener Stadtmauern. Und wird von einer anderen Plage dahin gerafft: der Attischen Seuche. „Vermutlich war es die Cholera“, sagt Archäologe Reinhard Senff, Grabungsleiter in Olympia. „Die große Zahl der zusammengepferchten Leute und katastrophale hygienische Zustände – all das spricht dafür.“

Das Erstaunliche: Weder Krieg noch Krankheit verhinderten die antiken Olympischen Spiele. Mehr als 1.000 Jahre lang kam die gesamte zivilisierte Welt – vom Schwarzen Meer bis Ägypten, von Spanien bis weit nach Asien hinein – alle vier Jahre in Olympia zusammen. 40.000 bis 50.000 Schaulustige reisten an. Viele waren wochenlang unterwegs.

Frühe Hygienekonzepte

Wie man damals mit Krankheit umgegangen ist, sei eine ungeklärte Frage, sagt Senff. „Jedenfalls kamen im Laufe des 6. Jahrhunderts immer mehr Leute in Olympia zusammen.“ In der Folge müssen deshalb – heute würden wir sagen – „Hygienekonzepte“ erdacht worden sein: „Ab 730 wurden immer mehr Erdbrunnen zur Wasserversorgung gebaut. Die war ein großes Problem, speziell, als die Spiele immer länger dauerten, immer mehr Disziplinen umfassten und immer mehr Menschen anzogen“, erzählt Senff. Im 5. Jahrhundert waren es fünf Tage mit einem prall gefüllten Festkalender – es gab Flöten-Turniere, Kuss-Wettkämpfe für Knaben und Siegerkränze für Trompeter. „Die Leute brauchten an Ort und Stelle frisches Wasser, denn die Flüsse wurden als Kloaken benutzt.“ Woher der Archäologe das weiß?

Wir haben keine stillen Örtchen entdeckt.

von Reinhar Senff

Archäologe

Alle vier Jahre – ehe im August die Spiele begannen – haben die Organisatoren also bis zu sechs Meter tiefe Schächte gegraben. Diese einfachen Erdbrunnen wurden nur in der kurzen Zeit der Olympischen Spiele benutzt und danach mit dem Müll und allem, was herumlag, angefüllt. Mittlerweile haben Senff und sein Team mehr als 200 Erdbrunnen gefunden und erforscht. „Sie waren voll mit Weihegeschenken, Waffen und Speiseresten.“ Daher könne man sich ein Bild davon machen, wie die Fans der Olympioniken nahe der Wettkampfstätten gecampt haben.

Quarantäne für Athleten

Auch um die Gesundheit der Athleten sorgte man sich: „Sie waren vor den Spielen wochenlang in der Hauptstadt der Region, Elis, in Klausur in einem Olympischen Dorf“, erzählt Senff. Quasi unter strengen Hygiene- und Diät-Auflagen in Quarantäne. Mehr als ein Jahrtausend flogen im heiligen Hain Speere und Scheiben. Es grenze an ein Wunder, diagnostizieren Forscher, dass die friedliche Volksversammlung im Zeus-Heiligtum ungeachtet aller politischen und sozialen Umwälzungen 1.200 Jahre Bestand hatte. Senff: „Nie ist was passiert, keine Krankheiten und Seuchen sind dokumentiert.“

Erst die frühen Christen mit ihrer Körperfeindlichkeit erzwangen ein Ende des heidnischen Muskelkults. Auch, weil die Spiele ein großer Jahrmarkt waren. Oder wie es der australische Historiker Tony Perrottet im Buch Das nackte Olympia nannte: das antike Woodstock.

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