Winterschlaf: So passen sich Tiere an den Klimawandel an

Eine Fledermaus fliegt durch den Winterwald.
Die steigenden Temperaturen beeinflussen das Verhalten von Fledermäusen, Bär und Co. - direkt und indirekt.

Jahr für Jahr zog Frauke Meier mit Kollegen aus, um im Raum Münster Wasser- und Fransenfledermäuse tier-und artenschutzkonform mit reiskornkleinen Mikrochips zu besendern. 13 Jahre später wertete die Landschaftsökologin der Universität Greifswald nun die Daten aus, die insgesamt 4.000 Individuen – von jung bis alt – an der Luke eines Brunnenschachts beim Ein- und Ausflug an ein Lesegerät gesandt hatten.

„Es war erstaunlich, wie unterschiedlich beide Fledermausarten, die denselben Witterungen ausgesetzt waren, ihr Verhalten änderten“, zieht die Studien-Erstautorin Bilanz. Während Myotis daubentonii das Winterquartier aktuell fast einen Monat früher aufsucht als 2012, reagiert Myotis nattereri mit einem verkürzten Winterschlaf auf den Klimawandel. 

Auch wenn von vornherein klar war, dass die Formel „milder Winter, knappe Auszeit“ zu einfach wäre, „hatten wir mit dieser konträren Entwicklung nicht gerechnet“, sagt Meier.

Entwicklungen vollziehen sich heute schneller als früher

„Früher zogen sich Entwicklungen über Jahrzehnte, Jahrhunderte. Mit der Erderwärmung geht es jetzt oft viel rascher. Wir brauchen langfristige Forschungsarbeiten über Modellarten“, begrüßt Klaus Hackländer von der BOKU University Wien die deutschen Ergebnisse. Auch Claudia Bieber von der Vetmeduni Wien weiß, dass Klimawandel, Extremwetterereignisse und tierische Anpassung komplex zusammenhängen.

Der älteste Beleg für einen winterschlafähnlichen Zustand bei Wirbeltieren datiert auf 250 Millionen Jahre. Fossile Stoßzähne eines Lystrosaurus belegen die Anfänge der vorübergehenden Verlangsamung des Stoffwechsels. Heute setzen rund drei Prozent aller Tierarten auf die saisonale Strategie, um strapaziöse Temperaturen und Nahrungsmangel traumlos zu „verschlafen“.

Wasserfledermäuse jagen hauptsächlich Insekten, die ihr Larvenstadium im Wasser verbringen“, führt Meier aus. Erwärmt sich das Gewässer durch die steigenden Temperaturen früher, schlüpft auch die reiche Beute eher, und der magere Herbst treibt die fliegenden Säuger bald zum Rückzug. Die innere Uhr für das Aufwachen bleibt bisher im Takt.

Klimawandel wirkt sich auf Umwegen auf Siebenschläfer aus

Bei heimischen Siebenschläfern wirkt sich der Klimawandel auf Umwegen auf die unterkühlte Phase mit reduzierten Herzschlägen und wenigen Atemzügen aus: Die nun häufigeren Buchenmastjahre sättigen mehr fortpflanzungsfähige Nager; die zahlreichen Jungtiere im Nest halten die Eltern länger munter. 

„90 Prozent der im Winterschlaf verbrauchten Energie werden für die wenige Stunden dauernden Aufwachphasen aufgebracht. Diese treten alle zwei bis sieben Wochen auf und sind lebenswichtig“, sagt Claudia Bieber, Leiterin des Forschungsinstituts für Wildtierkunde und Ökologie. Störungen können tödlich enden.

Dabei bekommen Tiere z.B. in Baumhöhlen Schwankungen der Außentemperaturen schneller zu spüren als etwa Murmeltiere tief unter der isolierenden Pulverschneedecke. Doch auch hier hinterlässt der Klimawandel erste Spuren. In den österreichischen Alpen merken die Hörnchen die Schmelze derzeit noch nicht, in Italien macht ihnen der Matsch bereits zu schaffen.

Unterschiedliches Verhalten von Winterschläfern hängt von Region ab

„Anders als in Skandinavien gehen Braunbären in Spanien zum Teil in Winterruhe; wenn, dann kurz“, gibt Klaus Hackländer, Leiter des Instituts für Wildbiologie und Jagdwirtschaft, ein weiteres Beispiel für innerartliche Unterschiede je nach Region.

Klimatische Veränderungen bedrohten das Überleben einzelner Spezies nicht zwingend. Gefährlich wird ein Missverhältnis zwischen Reserven und Schlafenszeit. Sammelt der Feldhamster im Frühling und Sommer nicht genug Vorräte für seine Kornkammer, kann die Fledermaus, um flugfähig zu bleiben, nicht unbegrenzt Fett anlegen, kann ein überlanger Winterschlaf zu sehr an die Substanz gehen.

Anpassungsfähigkeit von Tieren ist begrenzt

„Derzeit gibt es keine Bestandseinbrüche bei den Wasserfledermäusen“, sagt Meier. Noch reicht das angefressene Gewicht, um trotz der verlängerten Ruhezeit gut über die Runden zu kommen. Doch die drei Forschenden fürchten allgemein einen Wettlauf gegen die Zeit: „Die Anpassungsfähigkeit von Tieren hängt von der Größe einer Population und den Genen ab. Und wie schnell der Klimawandel fortschreitet. Er rast dahin.“

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